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Plattdeutsche Sprüche, Gedichte und Geschichten

Blogger 22. September 2021Februar 26th, 2023Inselgeschichte(n), Plattdeutsch, Rügen-Blog

Warum hier immer wieder Plattdütsch?

Jo – worüm nich – hier eine Überlegung über den notwendigen Erhalt plattdeutschen Volksgutes, denn: „Wat mud, dat mud“.

Keine Frage – das gebräuchliche, gesprochene „Plattdütsch“ verschwindet. Und damit ein altes, über Jahrhunderte gewachsenes Kulturgut im niederdeutschen Raum. Sprach doch vor 100 Jahren kaum Jemand Hochdeutsch, und wenn, dann nur vor Behörden oder in öffentlichen Einrichtungen, die Umgangssprache war das Plattdeutsche.

Diese zutiefst volkstümliche Mundart ist getragen von einzigartigem Mutterwitz, praktizierter Lebenserfahrung und Wortschöpfungen, die – wenn sie richtig ausgesprochen – nicht mehr illustriert werden müssen. Kurz, Plattdeutsch ist einzigartig, kommt immer direkt aus dem Herzen und ist ohne Umwege Ausdruck des Lebens in niederdeutscher Landschaft.

Als zu Beginn des 20. Jahrhunderts sich diese Lebensform durch grundsätzliche Veränderungen aufzulösen begann, wich auch die gesprochene plattdeutsche Sprache zurück. Volkskundler, Lehrer, Schriftsteller, die gesamte wissenschaftliche Forschung versuchte, die plattdeutsche Mundart in der Literatur fest zu halten, sie zu dokumentieren und darzustellen.

Zu nennen ist, neben Fritz Reuter, John Brinckmann, Richard Wossidlo und Alfred Haas unbedingt der Altmeister des Humors in der plattdeutschen Dichtung, Wilhelm Busch.

So findet man heute eine gewaltige Sammlung plattdeutschen Volksgutes in Märchen, Sagen, Volkserzählungen und Liedern, wie es im Volke lebendig war, und wie es von den verdienten Volkskundlern bewahrt worden ist.

Eine besondere Bedeutung kommt dabei der Heiterkeit zu. Diese Humorigkeit in der mundartlichen Literatur kennzeichnet die Sicht auf die Dinge des täglichen Lebens. Sie ist niemals höhnisch oder verachtend, sondern nimmt mit behaglichem Schmunzeln die Schwächen und Eigenarten des anderen auf die Schippe – alle vorgestellten Beiträge in diesem Blog sollen dafür Zeugnis sein!

Derzeit sind Bühne und Theater im norddeutschen Raum die beste Plattform, um gelebtes Plattdeutsch darzustellen. Auch Schulen und Laienspielgruppen bemühen sich um die Wahrung dieser alten Mundart. Anfang der 90-er Jahre erreichte eine energische Lehrerin in Göhren auf Rügen, dass Plattdeutsch Unterrichtsfach in der Schule wurde. In Zusammenarbeit mit den Mönchguter Museen entstand eine Schülertheatergruppe, die Preise im Landeswettbewerb gewinnen konnte!

Und auch wenn manches Mal die Fröhlichkeit dem Unterhaltungswert zu sehr angepasst erscheint, sollte man nicht vergessen:

„Der Humor des Volkes ist handfest und von gesunder Derbheit.“

Dat plattdütsche Lachen, H.Balzer, 1970

Plattdeutsch spricht sich leichter, als es aufzuschreiben ist. Hinzu kommt, dass eine Vielzahl mundartlicher Einfärbungen bestehen: Manches ist gleich, andere Worte oder Begriffe ähneln sich nur und müssen „erkannt“ werden. Wir bleiben dabei – an dieser Stelle werden immer wieder kleine Geschichten aus dem niederdeutschen Raum – der norddeutschen Küste – vorgestellt, so typisch, wie ihre Bewohner es sind. Kleiner Tipp: am besten laut vorlesen, und zwar mehrmals hintereinander!

Plattdeutsch auf Mönchgut / Rügen

Meine neuesten Entdeckungen sind alt, Jahrhunderte alt. Wer spricht noch Plattdütsch auf Mönchgut? Was ist geblieben von dieser ganz besonderen Mundart? Was hat sich geändert?

Ich bin auf der Suche nach vergessenem Sprachgut, dem alten Mönchguter Platt. Und ich suche nicht nur, ich sammel auch ein. Das zweite ist schwierig: man kann nur einsammeln, was da ist, und genau da liegt das Problem. Unser altes Plattdütsch verschwindet.

So bin ich stets mit aufgestellten Antennen unterwegs, wenn ich mich zu Besuch übers Mönchguter Land bewege, ich höre aufmerksam zu und notiere sofort per Diktiergerät im Handy. Und schon habe ich das nächste Problem, denn gehört ist noch lange nicht aufgeschrieben, und schon gar nicht so, wie es unverwechselbar, hintersinnig – humorvoll und in unendlicher Lebensweisheit einfach mal so daher gesagt wird. Aber, ich möchte diese alte Sprache festhalten, und so möge man mir verzeihen, wenn das hier Geschriebene anners untseiht, as `n Verteller so is.

Grössing Otti sagte oft: „Eis is ierst!“ Und meinte damit: „Einmal ist immer das erste Mal.“. Lörkin ut Thiessow kennt noch Folgendes: „ Hei wourt mi an“, bzw. „hei wourt mi nech an.“. (Er antwortet mir, bzw. er antwortet eben nicht). Auf meine Bitte, doch mal einen kleinen Gang zusammen zu machen, sagte sie: „Ik kann nich fauten.“. (Ich kann nicht gehen). Und gegen den kleinen Hunger wollte sie mir ein „Borring“ anbieten, ich hätte auch ein „Schmolt-Borring“ bekommen können – wer kennt das noch? Meine heftige Abwehr gegen Schmalz, sei es auch auf Plattdütsch, kommentierte sie mit: „Se hätt sech mallich…“.

Ja, gerne doch! Auf dem Fahrradweg nach Hause habe ich diese herrliche Feststellung vertont und lauthals gesungen: „Ik häv mi mallich…“. Nichts bringt es so auf den Punkt, wie ein Satz auf Plattdütsch. Eins steht fest: Fortsetzung folgt. Ich jage ihnen nach, dem vergessenen, verlorenen, selten gewordenen, liebeswürdigen Mönchguter Platt.

Alte, (un-)gebräuchliche Plattdeutsch-Redewendungen auf Mönchgut

War wieder unterwegs auf Mönchgut, habe wieder die Ohren gespitzt und das Schreibzeug parat, und konnte wieder „meinen“ alten, liebenswerten Damen beim Kaffekränzchen auf den Mund schauen, und dies hier habe ich eingefangen:

Wenn jemand früher auf Mönchgut Kopfschmerzen hatte, dann „hätt hei Koppwehdorch“ oder „Rieten (kommt von Reißen) in Kopp“. Oft hörte man die Alten klagen, wenn die Schmerzen zu stark wurden: „Ick häw so vääl Weihdorch.“.

Wurde etwas so langweilig, dass man aus dem Gähnen nicht mehr heraus kam, dann hieß es: „Ick möd allwedder huajoh`n“. Selbst alte Menschen, die als Kind bereits im hochdeutschen Sprachgebrauch aufwuchsen, berichten mir, dass sie „huajohnten“ (statt zu gähnen).

Und eine höchst interessante Frage stellte sich zum Abendesssen: „Wat givt`to Nackos?“. Womit gemeint war: „Was gibt es als Nachtkost?“.

Natürlich hat all das niemand aufgeschrieben und kann hier nur so weitergegeben werden, wie es sich für mich anhört. Besser klingt das alte Plattdeutsch, wenn es original gesprochen wird und ich versuche immer, das Diktiergerät zu aktivieren. Für meinen Blog aber und für interessierte Leser schreibe ich so, wie es sich für mich anhört. Ich hoffe, dass so mancher es besser weiß, korrigiert und ergänzt, das würde mich sehr, sehr freuen! Nur zu. Schreibt uns.

Dat plattdütsche Land

Ick weit en Land, wat mi geföllt,
wat mi geföllt von Harten,
wat mi mit dusend Reden höllt,
alltid in Freud`un Smarten.

Kein Barg nich strewen hewenhoch,
dor ruscht keen Water nedder,
ne, Saat un Wischen füht dat Og
un Saat un Wischen wedder.

Un Dannen hier un Dannen dor
Un Fichten, Eiken, Bäuken,
un söchst du Seen hell un klor,
denn mötst du hier sei säuken.

Doch söchst du Tru un Glowen ok,
hett Falschheit di verdraten,
kumm her, tred in, dor wo de Rok
tüht lising ut den Katen!

Dor klingt di `furtsen an din Ohr,
dor wardst `ne Sprak du hüren,
`ne Sprak so weik, so tru un wohr,
de`t bindelst Hart deiht rühren.

`ne Sprak, de lacht, `ne Sprak, de rohrt,
`ne Sprak so lud`, so lisen –
O plattdütsch Land un Sprak un Ort,
Juch will ick ümmer prisen!

Recht so

Dor keem ein Mann von Supmanntau,
hadd`n dicken Kopp un Buk dortau
un wull uns`lütte Anning frigen
un säd tau ehr: „Ik mag di liden,
du kannst mi Fleesch un Tüffel kaken
un Stäwel putzen, Bedden maken.

Lütt Anning lach em in`t Gesicht:
Büst du ok`n Bur, ik mag di nich,
ik ward för mi alleen noch satt,
ik bruk keen Bier – un Bramwinsfatt.
Mag keinen, die sin eigen Knecht,
Ne`n Kirl, de is mi grad so recht!

August Seemann, 1872 – 1916
(Aus: Mecklenburgische Lyrik, Hamburg, Otto Meißners Vlg., 1900)

Pingsten

Oll Pingsten – du oll Pingsten!
Du güllen, güllen Tit!
De Gröttsten un de Ringsten,
wu ward dat Hart ehr wit!

För König un för Koeter,
Hog Barg un deepe Grünn`,
up Katens un up Sloeter
de een, de sülwig Sünn.

Dat sülwig gröne Läben,
un Halm un Busch un Bom,
de sülwig blage Häben,
de sülwig söte Drom.

Een Lachen un een Singen,
een Nähmen un een Dank,
een Hart vör allen Dingen
de heel oll Welt entlank.

John Brinckman, niederdeutscher Schriftsteller, 1814 – 1870
(Aus: Mecklenburgische Lyrik, Hamburg, Otto Meißners Vlg., 1900)

En Hus

Ick weit en Hus, en Katen,
dat Moos waßt up dat Dack,
de Dör`n un Finstern laten,
as wiren `s mäud un fack.

Un achter`n Hus de Goren,
un tens den Hus de Meß,
un vör den Hus in Horen
de Gör`n, en Stücker söß.

Un in den Hus ein Krupen
Un Päseln äwerall,
Nu will dat Kalw wat supen
Un`t Swin schrigt in den Stall.

Ick weit en Hus, dat mächtig
kiekt up sin Nahwers dal.
De Stuwen grot un prächtig
un mit Parkett de Saal.

Un All`ns dorin so lisen,
un All`ns, so as dat schick:
de Wirt, de is tau prisen,
un dese Wirt – bün ick!

Doch denk ick an den Katen –
Ick weit nich, wo mi ward!
Wo kannst du mi so faten,
min Vaders Hus, an`t Hart!

Felix Stillfried, Niederdeutscher Lyriker, 1851- 1910
(Aus: Mecklenburgische Lyrik, Hamburg, Otto Meißners Vlg., 1900)

Wie die Insel Rügen entstanden ist

(Eine Sage auf Plattdütsch, frei nacherzählt)

As uns`Hergott de Welt schaffen ded un all binah dormit farig wier, stunn he eenes Abends so kort vör Sünnenünnergang up Bornholm und keekt von hier ut nah de pommersche Küst röwer. Bi em leg de Muurerkell un de grode Moll, in de öwer man blot noch `n lütt bäden Ird öwrig wier.As he nu so öwer dat Water wegkiekt, schien em de Küst doch gor to kahl to sin. He namm dat Letzt ut de Moll un klackt dat von Bornholm ut an de Küst ran. So ungefihr ne halwe Miel vörto feel de Klack int Water. Uns`Herrgott fohrt glieks noch ees mit de Kell an den Kanten entlang und makt em nah buten hübsch rund un glatt.

Intwischen wier de Sünn äwer binah  ganz unnergahn. De Herrgott will Fierabend maken un so kratzt un schrapt he noch fixing alls tosamen un klackt dato ok noch an de Insel ran.

Un so war Schluß mit schön bäden blank und schier an de Küst, so bliewen de Klacksens rundum lägen und so entstünn de Halwinseln Jasmund, Wittow, Mönchgaud, Zudar und Ummanz um dat Mudland herum.

Uns Rügenland

De Heimatsiet för de Muttlänner

Jä, dat is’n narrschen Nam, mannich? Ümmer wedder fragen de Frömden, wat he bedüden sall. Ick müd gestahn, dat ick as ollen Rüganer, in mine Kinnertied det Wurd nich ees hürt heww. Irst a sick up de Präparandenanstalt un up dat Seminar keem, säden se to mi: „Ach, du büst von Muttland“!

Weck Lüd behaupten, dat de Nam blots för dat rügensche Festland gellen deet. De Inwahners von uns rügensche Halwinseln räken sich jo nicht to Rügen. Wenn de Wittowschen un Jasmundschen sommers in‘ Wäder kiken, denn seggen se: „Dat Gewitter treckt nah Rügen räwer.“. Aewer mit de Tied is disse Nam doch för ganz Rügen in Upnahm kamen. Un wat he bedüden deet, will ick hier vertellen.

De Nam kümmt her von den Schwien-Mudder. De Plattdütschen up’t Festland seggen dorto „Sääg“ –wie up Rügen seggen „Mutt“ dorto. Wur olt de Nam is, weet ick nich. Rügen hett ja ut de Schwedentied so väle olle Würd äwernahmen – is möglich, dat he ut diesse ollen Tieden stammt. Un‘ dorüm seggen se to uns „Muttlänner“.

Kennt Ji da tolle Balldriewer-Spill, wat wi as Jungs mit grode Begeisterung spält hebben: wur de Driewer eenen Ball in‘ ne Kuhl drieben mütt, un alle annern Jungs mit’n groden Schacht ümmer wedder dormang kamen? Up’t Festland seggen se dorto „Kuhlsääg“ – wi up Rügen hebben ümmer „Kuhlmutt“ spält.

„Rührüm, rüh üm, de Grütt brennt an – dor kümmt de Kirl mit de Kuhlmutt an.“

So süngen wi to Anfang von dat Spill. Jeder steek sinen Schacht in de Kuhl rin, alle güngen rundherum, un denn mit ees müßt sich jeder sine lütte Kuhl rundherum in den Kreis söken un dor sinen Schacht rinstäken. Wer keen Loch mihr finnen kunn, de müßt de Kuhlmutt drieben. Dor hebben wi dat olle Wurt „Mutt“.

Uns‘ Jungs von hüt kennen dat olle Spill nich mihr. Hüt spälen se Hockey, wat jo ok nich väl wat anners is. So, nu weeten Ji, wur de Schnack Mutlänner herkümmt. Un weil de Mutt dat Muddertier is, känen Ji, wenn Ji willen, jo ok Muttland mit Mudderland äwersetten.

Uns schönes Muttland is uns Mudderland. Dat willn wi leewhebben un in Ihren hollen. Un alle Muttlänner freugen sich nu ganz bannig, dat uns‘ O-Z nu tweemal in`t Mond na Möglichkeit `ne Heimatsied rutbringen will, un wünschen, dat dit Kind god to Welt kümmt!

„Schipp in Sicht“ vor Rügen

Die Rüganer waren früher als arge Strandräuber weit und breit verschrien. Man sagte ihnen nicht nur nach, dass sie die von Wind und Wetter auf den Strand getriebenen Schiffe rücksichtslos ausplünderten, sondern es geht die Rede, dass sie die vorüber fahrenden Schiffe durch falsche Zeichen zum Stranden brächten, um so auf leicht und bequeme Art eine fette Beute zu bekommen.

Hierauf beruht die folgende Erzählung: Dor was mal ees`n Stralsunner. De kem, as he dot wier, an de Himmelsdöhr und kloppt dor an, dat se em rinloten sullen. Petrus makt dat Finster apen un frogt em, wer he wier un wur he herkem. De anner antwurt`t: „Ick bün ut Stralsund un möcht giern in`n Himmel rin.“. Petrus sächt: „Dat glöw ik di wollt to, äwer dor kann nicks nich ut wardn. Denn Stralsund liggt dicht bi Rügen, un de Rügenschen – von de Ort hebben wi hier nah gradens naug. Dat is ne ganz dulle Bann`!“. „Jeh“, sächt de Stralsunner, „denn schmiet se doch ruut!“. „Ja, wenn dat so licht wier.“. „För mi kann dat so schlimm nich sinn“, säd de Stralsunner to Petrussen, „ick will di mal wat seggen: nimmst du mi hier bi di upp, so schaff ick di glieks de ganze Sipp von`n Liew.“. „Dat sall gellen“, reep Petrus ut un makt de Himmelsdöhr up.

De Stralsunner besünn sich nich lang. He ging furts nah de Eck henn, wur de Rügenschen in hellen Hoopen tosamseeten un randalierten. As he dicht ran wier, leggt he beide Hänn`mit de flache Siet an`n Mund un reep, so luud he künn: „Schipp in Sicht, Schipp in Sicht!“.

Kumm harren de Rügenschen dat hürt, so sprungen se up un stört´ten sich rut ut de Himmelsdöhr, denn keen von em wull be so`ne Sak de letzt sin. As se all buten wiern, klappt Petrus de Döhr achtern en tau un was froh, dat he de Gesellschaft so licht losworden wier.

(Aus: „Schnurren, Schwänke und Erzählungen von der Insel Rügen“ A.Haas, Greifswald 1899.)

Plattdeutsche Gedichte

„Nah Huus“

„Du starwst in`Harwst“.
Ne Zigeunersch hät`t segt,
as se Koerten mi legt,
un mi – na, un mi is`t recht.

Blot to Frühjohr nich, wenn de Jugend kümmt,
wenn dat ganze Weltall glimmt un flimmt,
wenn dat hellgröne Licht
mit Jubel un Pracht
bet`rup in den blagen Himmel stigt
un lücht`t dörch de Nacht,
wenn ut de stöbigsten Ecken un Engen
lewige Farben knospen un drängen,
wenn alls, wat olt is un mulsch un möer,
geht entwei un in Schöer –
mang de Schöer, dat wier mi gegen den Strich!
Blot to Frühjohr nich!

Ook in` Sommer nich! O du Sommernacht,
verdröömt un vedrunken, versungen, verlacht
un verküßt! Un de ganze strahlende Welt
een Bloomengorden, een gülden Feld!
De Jerd hät wunnen sich `n Kranz
ut Sünnenlicht,
un de Minschen so festlich frei un licht,
dat Leben – `n Danz!
Un is`t ook to`n Danzen `n beten heer,
dat`s good, da tick schweer!
Wur dößt et mi dornach so prächtiglich!
Nee, nee – ach nee! Ook in`Sommer nich.

Ook in`Winter nich! De Strierschoh her!
Heidi! Up`t Iis!
Un sünd wi ook gries,
dat giwt de oll Knaken niege Schmeer!
So susen wi hen in brusende Fohrt
dörch de schniedende Luft, vull Riep den Bort,
de Oogen vull Glanz un de Backen so rot,
ümmer wieder torüg blieben Sorgen un Not –
so frie, o so frie!
Juchhe un heidi!…
Schon fangen de Stiern an to glitzen,
nu geiht et nah Huus! Noch schneller flitzen
wi öwer den See,
heidi un juchhe!
Wur öwer dat Iis de Iisen blitzen!
Und wenn wi dann an`aben sitten
bi`n stieben Grog,
denn fragen wi nich nah Tied un Klock,
denn nehmen wi ümmer noch `n Lütten.
Wat lät et sich denn so prächtig vertellen
un laben un schellen
un dröömen un sinnen
süll jetzt ick von hinnen?
Nee, Knakenmann, nee! Dat geew mi`n Stich!
Ook in`Winter nich.

Ook in`Harw….na, denn in`Harwst! Is good!
Öwer Sturm moet sein!
De Abendhimmel een Füerschien
un den Luft vull Bloot.

Ick bün an`t See. Up`e Dünen söelt ji drägen mi –
Hei, wur dat bruust un schüümt un gröhlt!
Giwt et `ne schönere Melodie
To`leben un starben?
In disse Farben
sall mien Wesen selig sich lösen,
in dit Bruusen un Schüümen un Tosen,
dit Stiegen un Drängen
sall befriet mien Athen sich mengen!
Kickt, wur mi dat hewt! Wur grad ick stah!
Mien letzte Schrie`n frohet „Hurrah!“

Un bün ick denn dot – dorup gewt mi de Hand
spunnt mi nich in in`n engen Sarg
un schüffelt nich öwer mi `n Barg
von Murr un Lehm un Sand!

(Aus: „Nah Huus“ Plattdeutsche Gedichte, Deut. Verlagsanstalt 1904)

Läbensweisheit

Ick set in min Dörpkraug. `n ollen Kierl käm rinner un set sick an unsen Disch.
Ick hör, he säd tau mienen Nahwer: „Weißt`dat schon? Wilhelm het nu ein stief Bein.“.
„Woans dat?“, frög de anner.
„He is gägen ein Moped loopen.“.
“Dorvon het he ein stief Bein krägen?”.
„Ja! Dat Moped het je führt, un denn set dor noch einer up.“.
„Denn sall Wilhelm man froh sein, dat dat kein LKW west is, denn wier hei nämlich nu all dot.“.
Dat giwt Lüüd, de seggen, dat uns Humor man bloßen Plattitüden sünd.
Nee! Läbensweisheiten sünd dat!

(Aus: „Zuckerkauken un Koem“, Hinstorff 1985)

„Harwst“

Dreevirtel is min Wech all gahn,
bet an de stille, stille Purt.
Ik see`s all ümmer gröter stan,
kümt Keener üm er furt.

Min Gott, wo lang is dat nu her,
as mi min Hart in Leev noch stünn.
Segg, worüm ik sitdem von er
So rein verlaten bün?

Gif mi vör Por Harwstdag noch
En beten ogensünnenschin.
Du warst dorüm nich ärmer doch,
ik bliv dorüm doch din.

Du weest am besten, uns Geflecht
Wur dat an Leev woll dig un blev.
Un wo kreg`st du din Welt torrecht,
Wir`st du nich sülb`n de Leev.

(Friedrich Eggers, Aus: Mecklenburgische Lyrik, Hamburg 1900)

„He kennt dat“

He kennt dat.
De Lots` spelt sick`n beten op.
„Op disse Streck fohr ick all fiefuntwintig Joahr“, seggt he to den Passaschier.
„Hier kenn ick jedes Lock un jede Bank.“.
RUMS! Makt de Damper in dissen Ogenblick un sitt in den Sand fest.
„Sehn Se wol“ seggr de Lots`, „dor is al en!“.

(Aus: „dat plattdütsche Lachen“ Ernst Wähmann. Verlag Schwerin 1970.)

Dree bedröwte Haarten & dree starke Brüggen

„Een Buer twischen twee Avkaten,
een Sünder twischen twee Papen,
een Muus twischen twee Katten,
dat sünd dree bedröwte Haarten.“

Aber / und:

„Een Fründ in de Not,
een Fründ in`n Dod,
een Fründ achter`n Rüggen,
dat sünd dree starke Brüggen.“.

Plattdeutsche Geschichten

„Höchste Tied“

Hein hett in Kohrs sien Köminsel`n beten toveel kregen – he sitt achter in de Eck un sloppt. Kohrs kann em nich hochkrägen un denkt: och, lot em!
Morgens kummt Kohrs sien Fru un will reinmoken. As se Hein gewohr ward, bufft se em in de Rippen un röppt:
„Eh – Hein! De Klock is söß!“.
„Wa – wat?!“ seggt Hein „ all söß? Denn mutt ick jo nah Hus un opstohn.“.

(Aus: „dat plattdütsche Lachen“ Ernst Wähmann. Verlag Schwerin 1970.)

„Rotten“

Se sitt bi Hinnerk abens noch en beten vör de Döör op de Bänk.
„Mit de Rotten“, seggt Hinnerk, „is dat rein to dull. Wi hebbt so väl von dat Aaastüüch, de freet uns allens to Schannen.“.
„So?“, meent sien Naber Willem. „Wi hebben gar keen Rotten.“.
„Dat kann ja woll nich angaan“, seggt Hinnerk, „wo dat dar so väl von geben deit.“.
„Wat ik di segg: wi hebbt keen.“.
In den Ogenblick kaamt op de anner Siet von de Straat ut Willem sein Huusdöör – de hett apen staan – dar kaamt twee Rotten öber den Süll.
„Minsch Willem!“, röppt Hinnerk. „Dar, kiek mal dat – ik denk, ji hebbt keen Rotten?“.
Willem kiekt dar hen na den Rotten.
„Och, de?“ seggt he, „dat sünd nich uns!“.

(Aus: „dat plattdütsche Lachen“ Ernst Wähmann. Verlag Schwerin 1970.)

Winterblues auf der Insel Rügen

Wahrscheinlich bin ich nicht normal – gut, wer ist das schon – aber, es liegt die Vermutung nahe, dass ich in so einigen Dingen nicht ticke, wie allgemein gewohnt. Nein, darauf bin ich nicht stolz, ich habe vielmehr gelernt, damit zu leben, wenn es mich auch immer wieder in Erklärungsnot bringt.

Ich mag, zum Beispiel, den Monat November. Mehr noch, er ist mir der Liebste aller Zwölfer. Er ist sanft, total entschleunigt und gelassen, sein Zweitname sei „Einsamkeit“, denn er schenkt uns menschenleere Strände, und er hat die einzige Berechtigung aller Monate zu Kuschelzeit mit Tee und Buch.

Und nicht zu vergessen: sein Licht! Wunderbar, wie die Sonne völlig unverhofft durch feine, graue Seide scheint. Die Natur, alles rundum, bettet sich in dieses seidige Grau, wird weich und versöhnlich. Wann hat der Mensch das schon? Nur im November.

Außerdem geht’s auf Weihnachten zu. Die Adventszeit naht, mit Kerzenlicht und Pfefferkuchen, und die Vorfreude kribbelt im Bauch. Genug geschwärmt?

Tja – und dann folgt der Inselwinter. Regen, Regen, Regen. Nur noch zu toppen durch die Stürme, die dem vergnatzten Strandgänger die Mütze vom Kopf reißen, die Dünen verwüsten, die Wiesen überfluten. Brillenträger haben ganz schlechte Karten.

Und die Kuschelecke auf dem Sofa ist inzwischen leicht durchgesessen. Dennoch, jetzt ist Tee- und Buchzeit, was hilfts. Die Aussicht, als Rodelkönig zum Wintersport zu fahren oder auf die Kanarischen Inseln, um dort seinen Nachbarn am Hotelpool wieder zu treffen, nein, diese Aussicht macht den Inselwinter nicht lustiger.

Und so stampfe ich unerbittlich durch den Regensturm und stöber in alten Büchern. Mein letztes Erlebnis beim Strandgang gab dem Winterblues den Rest, und deshalb zögere ich nicht, meiner Melancholie den Platz zu geben, den sie einfordert, gefunden beim Buchstöbern, und hier zum Besten gegeben aus:

„Mecklenburgische Lyrik“ 1. Auslesebändchen, Hamburg um 1900:

„Still
Dei Newel treckt. Sacht föllt dat Low,
die Sünn kickt blass und swack hendal.
Un wat von unnen kem herup,
dat möt nah unnen ok enmal.
Wi griepen hah mit beide Hänn`
Un faten, wat sik faten lett;
Dorneben bring`n wi, still un sacht,
so männig Hoffnung ok tau Bedd.

`t is Minschenlos. Wat lewt, dat starwt.
Wi sünd allein in wiede Welt-
Inn`Grunn allein – un will`n nich,
dat ok för uns die Spruch ens gelt?
Wi drücken die Finger in die Hänn`,
as wulln wi an uns sülfst uns holl`n?
Wes still, min hart. Nicks is, wat is,
Wat nich enmal tau Grunn möt gohn.

Deiht di dat weih? Kümmt di de Angst?
Schriefst du herut: Ick will nich gahn;
Ik will nich, blass un kolt un still,
enmal an`t letzte Aeuwer stahn?
Wes still, min hart. War kümmt, dat geiht.
Du kemst allein un geihst allein.
Dat letzte Enn`von all`s is doch
En lütte Blaum vörn kollen Stein.

Friedrich Griese (* 1890 in Lehsten; † 1975 in Lübeck) war ein deutscher Schriftsteller. In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts galt er zeitweise als der bedeutendste Autor mecklenburgischer Heimatliteratur.

„Winterwäg“

Noch hett de Frost sin Tähn`
deep in dat Ierdriek steckt.
Noch bibbern Bee nun Hänn`.
Noch sünd witt Laken deckt.

Noch is de Fluß veriest.
Dat Schilf steiht stur un stief.
Noch is de Welt vergriest
un liekers bitt ick:Bliew!

Noch sünd de Daag so kolt.
Keen Vagel will all sing´n.
Doch wi seihn uns in`t Holt
vergnögt in`n Grönen ling´n.

Dieter Niebuhr (1950 – 2021) war ein niederdeutscher Lyriker. (Aus: Wi austen uns´n Weiten)

Allrügen (auch: „Altrügen“) im Naturschutzgebiet Pulitz

Allrügen (auch „Altrügen“) heißt ein Inselchen im Kleinen Jasmunder Bodden, gelegen zwischen Pulitz und der rügenschen Küste. Der Name soll daher entstanden sein, dass ein Fremder auf die Frage, wie wohl das Inselchen heiße, die typisch kurze Antwort der Einheimischen erhielt: „Na wat – dat is all Rügen”.

Gemeint war, hier gehört alles zu Rügen.

Nach anderer Überlieferung soll ein rügenscher Fürst, der in der Dunkelheit lange Zeit auf dem Wasser umhergeirrt war, schließlich an der kleinen Insel gelandet sein und freudig ausgerufen haben: „Gottlob – dor is jo all Rügen” wonach dann dieses Fleckchen Erde „Allrügen“ benannt wurde.

Andere aber meinen, die kleine Insel sei deshalb Altrügen genannt worden, weil sie dieselbe Gestalt habe, wie die Insel Rügen im Großen.

(aus: „Schnurren, Schwänke und Erzählungen von der Insel Rügen“ Dr. A. Haas, 1899)

Der besagte, umherirrende Rügenfürst ist ganz sicher, wenn überhaupt, der Einzige gewesen, der diese winzige Insel mal betreten haben könnte.

Möchte man ihr aber näher kommen, und möchte man ein Kleinod ursprünglicher Inselidylle erkunden, so sei ein geführter Rundgang auf der Nachbarinsel, genannt „Pulitz“ empfohlen.

Dieses Inselchen ist nur zu begrenzten Zeiten im Jahr zugänglich und sollte unbedingt unter fachlicher Anleitung eines Bodendenkmalpflegers besucht werden, wie es die Angebote von der Kreisvolkshochschule ausweisen.

Nur auf diese Weise sind Ausblicke, Erkenntnisse, Beobachtungen in der einzigartigen Natur möglich, und nur so wird dem Wanderer der Besuch am „Sonnenhaken“ unvergesslich bleiben.

Datt hett noch Tied

Jochen Möller is krank, dat geiht em heel leeg. Dor sett sein Swester sick up de Bahn un föhrt henn nah em – he is jo so alleen in de Stadt.

„Worüm hest dinen Mann nich mitbröcht?“, frögt Jochen.
„Ooch“, seggt sien Swester, „he kann nich afkamen – wi sünd jo meren in de Aust. Wi hebbt afmakt: he kümmt denn to din Gräffnis.“.

(Aus: Dat plattdütsche Lachen, Schwerin 1970)

Störmich Wihnachten

Hir binnen brennt de Dannenboom,
Dor buten ruft de Wind.
He rüttelt mi ut den Wihnachtsdrom
von de „stille Nacht“ un dat „Kint“

Hür blot, wo he tovt un mechtich brust!
He bullert de Finstern entlank.
Hür, wo he dörch de Telgen sust!
Dat`s keen recht Wihnachtssank.

Hir binnen so still, dor rögt sick keen Luft,
Kum lis dat Knistergolt knickt,
wenn all dat Licht den Dannenboomduft
ganz sachten na baben schickt.

Un so klor is dat Licht in den Boom! Men süt
dörch dat dichtste Nadelgröön.
Dor buten dat swarte Wedder tüt,
kenn Man`, keen Stirn to seen.

Nattkolt de Regen, de Wint so kolt!
Dor Hagel in dichten Swarm.
Hir maken`t de lütten Flammen von Golt
noch eenmal so heemlich un warm.

Lat`t üm di rusen so vel as dat will,
noch so kolt un düster sin:
wenn`t in di man hell un warm un still,
is dat beste Wihnachten din.

An Oltjahsavend

Dien Ogen, Herr, sünd mit uns gahn
dörch dat verflaten Joahr,
un wat wi Minschen dacht un daan,
dat würdest du woll gewahr.

Veel Godes kreegst du nicht to seihn,
denn hier up disse Welt,
denkt jeder blots an sik allein
un deit, wat em geföllt.

Ik weit, dat ik nich bäter bün
as all de annern Lüür.
Ok ik danzd in dat Läven rin,
as wenn`t en Spillwark wier.

Doch nehm dat Spill en leges Enn`
för mi un för de Welt.
Man goot, dat Gott uns in sein Hänn`
gedüllig dröggt un höllt.

Kiek di de Welt ees richtig an!
Se is mit all ehr Freud
en Druppen blots an`t Waterspann,
de dalföllt un vergeiht.

Dat olle Joahr is nu vörbi,
de Klocken lürrden all.
Herr Jesus Christ, giff acht up mi
un holl mi, wenn ik fall.

(Bernhard Trittelvitz)

Dat hett all holpen

„Wenn ji mit dat Geld nich utkomt, denn mödst du din Frau mol`n beten
Bescheed seggen: se möt nu sporen!“.
„Heff ik all.“.
„Na – un nu?“.
„Ik drink nich miehr, un smeuken doh ik ok nich miehr!“.

Plattdeutsche Geschichte über Kolumbus

Plattdütsch Verteller: „Klumbumbus“

Dar weer mal – dat is nu woll all dusend Johr her – ´n Koptein, de heet Klumbumbus, un de kunn Eier stahn laten.
Ens Dags sächt de König von Spanien to em: „Du, Klumbumbus, gah mal he nun entdeck mi mal Amerika.“
„Dat will ick woll doon“ sächt Klumbumbus, „ denn musst du mi äwer dree Schipp gäwen!“
De gääf em de König, un dar seilte Klumbumbus los.

Na Stucke söß Weeken sä`n de Schippslüe to Klumbumbus: „Sünd wi denn ümmer noch nich in Amerika?“
„Nee“ sächt Klumbumbus, „dat Ei steiht noch nich.“
Na acht Dagen keemen se wedder: „Wi hefft nu keen Lust mehr, wo lang schall dat noch duern, dat wi in Amerika sünd?“
„Tööft man noch `n beten, dat Ei steiht ümmer noch nich“ sächt Klumbumbus.
Up eenmal reept de Schippsjung van baben ut den Mastkorf:“ Land! Land!“

„Dschä“ sächt Klumbumbus, „nu steiht dat Ei ook.“
Un as se an Land gungen, dor keemen veele swarte Minschen anlopen, un Klumbumbus frag se: „Is dat hier Amerika?“
„Dschowoll“ säch`n de Swaarten.
„Denn sünd ji woll Niggers?“
„Dscho, wi sünd Niggers. Un denn büst du woll Klumbumbus?“
„Dat bün ick“ sächt Klumbumbus.
Dor keeken sick de Swaarten an un sänn to `nanner:
„Denn helpt dat nich, denn sünd wi entdeckt.“

(Aus: dat plattdütsche Lachen, Schwerin 1970)

Plattdeutsche Geschichten von Alfred Haas

Der Volkskundler Alfred Haas, 1860 in Bergen auf Rügen geboren, war ein unermüdlicher Sammler von Sagen, Geschichten, Volksbräuchen und Ortsnamen. Besonders mündliche Überlieferungen, an Ort und Stelle notiert und in originaler Mundart festgehalten, machten ihn zu einem überragenden Feldforscher für die Geschichte Pommerns.

Aus seinen „Schnurren, Schwänke und Erzählungen“ von 1899 sei hier folgende Geschichte wiedergegeben:

Altefähr ist ein Kirchdorf im Südwesten der Insel, gegenüber der Stadt Stralsund gelegen. Die Bewohner von Altefähr vermitteln seit den ältesten geschichtlichen Zeiten die Fährverbindung mit der Stadt Stralsund; daher stammt der Name dieser Ortschaft. Sprichwörtlich sagte man auf Rügen: „Dat liggt noch nich in‘n Ollföhrschen Strom“ oder: „Dat is noch nich in‘n Ollfährschen Strom follen“, soll heißen: es ist noch nicht alles verloren. Wenn jemand sehr müde ist, so sagt man wohl von ihm:“ Hei is so möd, as wier hei nah Ollfähr gahn“.

Schon im Jahre 1846 ging man mit dem Gedanken um, eine Dampffähre zwischen Altefähr und Stralsund einzurichten, aber erst 15 Jahre später kam der Plan zur Ausführung. Der damals beschaffte Dampfer „Altefähr“, welcher im Volksmund „die Flunder“ hieß, hat bis zum Jahre 1894 als Fährdampfer gedient, dann wurde er von den Fährleuten verkauft. Über diesen Dampfer und über die zum Teil sehr primitive Omnibusverbindung mit Pferdewagen zwischen Altefähr und Bergen auf Rügen entstand in den siebziger Jahren das folgende Spottlied:

„Von Stralsund, seggt he, nah Ollfähr, seggt he, geht’n damper, seggt he, he nun her.

Von‘t oll Ding, seggt he, is grot Geschrei, seggt he, alle Oogenblick, seggt he, is’t intwei.

Von Ollfähr, seggt he, bet nah Bargen, seggt he, geht’n Bummler, seggt he, he nun her.

För acht Gröschens, seggt he, führst du hen, seggt he, un torüch, seggt he, is noch bi.

De dor in sünd, seggt he, dat sünd Aopen, seggt he, un de Kutscher, seggt he, is besoapen.“.

(Hat Dir die kleine Geschichte gefallen? Hier findest Du weitere Erzählungen von Alfred Haas.)

Die Nachtigall ist eine verwünschte Schäferin

Die Nachtigall ist eine verwünschte Schäferin. Als sie noch in menschlicher Gestalt auf der Erde wandelte, hatte sie einen Geliebten, der hieß David. Diesen pflegte sie noch jetzt alle Morgen, kurz vor Sonnenaufgang, aus dem Schlafe zu wecken, damit er seine Herde rechtzeitig ins Freie treibe.

Sie ruft dann:
„David, David
nu is`t Tied, is Tied, is Tied!
Stah up, stah up!
Hurtig, Hurtig to Bucht, to Bucht, to Bucht!”

Durch die letzten Worte wird der Hund des Schäfers, welcher Hurtig heißt, aufgefordert, „to Bucht“ – also in den Stall zu gehen – und die Schafe heraus zutreiben.

(Aus: „Schnurren, Schwänke und Erzählungen von der Insel Rügen“ von Dr. A.Haas, 1899)

Der Pastor und der Bürgermeister

Dor was ees mal een Paster, de besöcht eenen Schwerkranken, ümem to trösten. as se nu beid`int Vertellens kamen wieren, säd de Kranke to`n Paster, em härr de letzte Nacht drömt, he wier storben, un dor wier he an de Himmelsdöhr kamen un Petrus härr em frocht, wer he wier un wat he wull. He härr antwurt`t ob wol de Paster so un so all dor wier, un dorbihärr he den Pastor sinen Namen nennt. Äwer Petrus härr seggt, in`n Himmel wieren äwerhaupt keene Pasters.

Äwer disse Red`argert sich de Pastor natürlich nich wenig. He stunn baff up un ging furt. As he int Wirtshuus kemt, truff he dor den Burgemeister un vertellt den, wur em dat gahn wier. Dohn ging de Burgemeister nah den Kranken hen un fohrt em hart an, wur he den Paster so wat seggen künn. „Je“, säd de Kranke, „he het mi jo nicht to Enn vertellen laten.“.

„Na, wat is denn noch wiere passiert?“, frog de Burgemeister – De Kranke säd, „As ick in`n Himmel nich rinladen würd, ging ich nah de Höll, un als de Düwel mi ankamen seech, begrüßt he mi all von wieden as ollen Bekannten un makt mi de Puurt (Pforte) glieks apen. As ick intreden wier, seech ick dor`n Stohl stahn un dacht so bi mi: „Dor kannst du di jo `n bäten verpusten, denn ick was von den wieden Weg sihr möd`worden. Mit een Mal äwer kreeg ick `ne bannige Uhrfieg (Ohrfeige), un de Düwel schull up mi los: Wur kannst du di up din Burgemeister sinen Stohl setten!“.

Dohn harr de Burgemeister ok sin Deel wech un kunn jo nu ok afgahn.

Wat sall dat!?!

Korl un Krischan stohn an`n Haven un vertell sick wat.

Dor fallt dor dicht bi jem een nu in`t wadder rin. He paddelt bannig un bölkt: he mutt versupen!!

Korl un Krischan lod sick nich stöern. De anner bölkt ümmer wieder.

Toletzt ward Korl de Sok to bunt.

„Wat is den los?”, röpt he.

„Ick künn nich swemmen!”, röpt de anner.

„Och wat“ seggt Krischan,„wie könt ok nich swemmen, äwers wi bölkt doch nich so!“.

Wiedergefunden, aufbewahrt und weitergegeben

Auf einer meiner Erkundungsfahrten, vorwiegend solo, ganz und gar unabhängig und nur meinem ICH folgend, besuchte ich vor Jahren die Stadt Quedlinburg im Harz.

Seit meinem Studium der frühen mittelalterlichen Stadt verbunden, gingen mir hier regelrecht „das Herz auf“ und die Augen über. Diese Stadt ist ein Wunder.

Und steht auf der UNESCO-Weltkulturerbeliste ganz weit oben, aber das ist ein anderes Thema.

Ich wohnte im „Vorhof zur Hölle“. Direkt am Markt in einer kleinen Pension. Mein Haus war quasi meine Wohnung, wie das so ist in Quedlinburg.

Um dorthin zu gelangen, musste ich durch eine Schlüppe, ein enger Durchgang als Verbindung zweier Straßen und immer an einem Antiquariat vorbei, und immer hinein, versteht sich. Und immer gestöbert, gesucht, gesammelt und mich gefreut über dieses herrliche, alte Sammelsurium an Schriftstücken aller Art.

„Mien leev Rügen“ – Plattdeutsche Gedichte und Kurzgeschichten von Bernhard Trittelvitz

Und da finde ich Bernhard Trittelvitz und sein schmales Büchlein über Rügen. Herausgegeben von der Evangelischen Verlagsanstalt GmbH. Berlin 1981.

„Mien leev Rügen“. Heimat im Harz, ein Geschenk besonderer Güte.

Wer war Bernhard Trittelvitz?

Geboren als Sohn eines Pfarrers kam er 1882 (mit drei Jahren) auf die Insel Rügen und wuchs in Rappin auf, in Putbus ging er zur Schule.

Das Leben im Pfarrhaus und die Landschaft der Insel Rügen prägten ihn so nachhaltig, dass er immer wieder – ob als Arzt im Saarland oder im hohen Alter als Ruheständler – hierher zurückkehrte.

In seinen Büchern wurden immer die Menschen der Insel und ihre Lebensweise in den Mittelpunkt gestellt und selbstverständlich wurde immer in plattdeutscher Mundart erzählt.

Und immer aus gottverbundener Sicht, der Liebe zu seiner Insel verpflichtet.

Füürtorm Arkona

Alle söös Sekunnen
floog dat helle Licht
dörch mien Kinnerstüüvken
över mien Gesicht.
Leet mi oft nich slapen,
denn bi Nacht un Storm
speeld ik in mien Bedding
ievrik „Füürtorm“.
Richd mi in mien Küssen
steidel in de Höh`,
keek mit blanke Ogen up de swarte See.
Svenkd mien dünnen Armings
runding um mi rüm,
reep dörcht apen Finster
mit min Kinnerstimm:
„Achtung, Achtung Farenslüür!
Hier is Arkona!
Un ik bün dat Füür!“
Kinnertiet un Kinnerdroom
sünd mi lang vergaan.
Doch de Füürtorm Arkona
bleev bistaan.
Svenkt noch hüüt sein glönig Arm
ümmer üm sik rüm.
All söss Sekunnen klingt sein helle Stimm:
„Achtung! Achtung, Faarenslüür
Denkt an de Heimat!
Denkt an mien Füür!“.

(Bernhard Trittelvitz, aus: Mien leev Rügen, Berlin 1981)

De sülvern Speigel

Schöön is de Welt, dat`s gar kein Fraag,
denn uns oll Herrgott hett eer schapen.
Un wiert ok nich in söven Daag,
he hett doch allens richtig drapen.

Sü, dusend Joor sünd vör em as een Dag!
Hei steit noch midden in sein Arbeit in,
da is keen Land, da is keen Flach,
wur een nich Gottt in seen künn.

Ik see em ümmer, wenn ick so as hüt
an mien leev Ostsee staan do.
Dar seech ick em all mien Jugenstiet
un`t wier mi so,as keem he up mi to.

Hüüt is de Luft so still un kloar,
bloots dat de  Dünung lies an`t Över sleit.
De See lieggt as en sülvern Speigel doar,
in den sik Gott in speigeln deit.

Bernhard Trittelvitz (1879 – 1969)

Twee Aart Rügen

Veel Frömde kamen jedes Jaar
nah Rügen he nun baden dar
in Water, Luft un Sünnenschien
un reisen wedder na Berlin.

Dar snacken se denn öwerall
von „Sturmgebrus“ un „Wogenprall“,
von „himmelhogen Kreidefels“,
von dulle Pries un düre Hotels
un von den Ball in `n Strandpavillon,
denn de wier`t Schöönste von de Saison.

Ik stah darbi un hür dit all
un weet nich, wat ik seggen sall.

Denn mien leev Rügen is nich so.
Dat is en lütt Huus, un Dack is von Stroh.
Vör de Döör liggt de Hund und speelt mit uns Katt,
un Mudding steit an´t Botterfatt.

Up`n Meßfaal lacht de Sünnenschien,
dar kratzen de Höner, dar wöölt uns Swien,
un up den Telefondraat sitt lütt Swölk
un singt eer Tütelütt.

Doch wiet, wiet wech,
bi Hiddensö
blänkert de grote,
wille See.

Un darmit müßt du di bescheiden,
süs hebben wi nix antobeiden.

Dat is nich väl,
doch bün ick fro,
dat ick von Rügen
stammen do.

Bernhard Trittelvitz

“Dat plattdütsche Lachen“

Hans Balzer, 1970

Schauster Liermann bringt morgens Stebel noh sien Kunden. „Wat is dat denn?“, sächt Buer Koorl, „Se bringen mi jo eenen swatten un eenen brunen!“. „Na, dat verstoh ick nich, sächt de Schauster, „ick bün jo woll rein verhext! Dat hett min Slachter Schmidt hüd morgen ook all seggt.“.

Wat so ´n Buer alls denkt

Buer Krischan is to Stadt führt, un as he sin Gäng besorgt het,

dammelt he noch so`n bäden dörch de Straten.

So kümmt he ook an den Conditerladen, wur`n Papagei int Schaufinster steit.

„Herre nee, wat förn Diert!“ denkt uns Bur un bliewwt stahn.

„Wur bunt dat Diert utsüht, un wur schnaksch he sich het!“

So wat härr Krischan noch nie nich sehn, un wiehl`t nicks kosten dehr, bleev he ruhig stahn und freugt sich, wur dat Diert doch abellschen dehr:  mit`n Schnabel kunn dat klarrern (klettern) un den Zucker nehm dat mit de Poot, grad as wenn`t n Miensch wier.

Toletzt kloppt Krischan ees mit`n  Stock an`t Finster.

Dat äwer wors den Papagei to väl.

He lät den Zucker fallen un reept: „Schapskopp, Schappskopp!“

Uns Buer wars ganz verblüfft. He truck sinen Hot von`t Kopp un säd bescheiden:

„Ach entschuldigen Se, ick häw dacht, Se wier`n Vagel…“

En Dagelöhner is swer krank, he hätt to väl in de Buddel kiekt, nu nimmt hei dat Abendmahl.

De Preester läs`t em nu vör in den Bichtersermon: „Dort oben sehen wir uns alle wieder.“.

Dor fröggt de oll Kranker: „Minen Broder Jochen ok?“.

„Tschäwoll doch!“.

„Minen Broder Krischan ok?“.

„Jo, dän ok!“.

„Ach Herr Paster, denn weet`k `n Aelend, denn dann geiht de Superie wedder von vörn los!“.

In`Goden

En feinen Herrn mit`n Unriepen op`n Kopp un een Glas in`t rechte Oog steiht an`n Haoben un pliert na en Schipp röwer.

De frocht Hein Hecht, de dor ook grod rumsteiht: „Ach, sagen sie mal, lieber Mann, wie ist eigentlich der Name des Schiffes da drüben?“.

Hein kiekt den feinen Klauer von boben bit ünnen an un denn bölkt hei los: „Lod mi doch tofreden, du Maioop! Kannst diene Oogen jo man opkneupen, hest jo dree Stück in`n Kopp!“.

De Herr sächt nix mier, kickt Hein groot an, dreiht sick af un geiht wedder.

Äwers Een, de bi em stunn, mit en Spint op un en Glas in`t linke Oog, de geiht an Hein ran un sächt: „Sagen Sie mal, sind Sie immer so grob? Sie wissen wohl nicht, wen Sie eben vor sich hatten? Das ist Seine Hoheit der Herzog von Gerolstein!“.

„Wat?“ röpt Hein „een Herzog is dat? Na, denn man to! Denn is ja man een Glück, dat ick em dat in Goden sächt heff!“.

Taach.

„Vun Se kööp ick keen Fleesch wedder!“, sächt Frau Möller.

„Dat Beefsteek Sünndach wier to taach west – dat harr ick as Soolen ünner den Scho nageln künnt!“.

„So?“ meent de Slachter veniensch. „Dat haarn Se denn man doon sülln.“.

„Jo“ sächt de Möllersch, „dat güng man nich: de Nagels güngen nich dörch!“.

Pogg un Kreih

De Kreih find mal en Pogg. De sett sick op de Achterbeen un pust ehr in de Ogen. De Kreih is eers ganz verschüchtert, äwer denn happst se to un bitt den Pogg den Kopp aff un röpt: „Wat seggst äwers nu?“.

Professer

Dor is mal‘n gelehrten Professer weest, de hett twee Bröders in sin Schaul häbt, dat sünd`n paar Twäschen (Zwillinge) weest, de hebbt sik so ähnlich seihn as een Ei dat anner, un he hett ehr sin Dag nich een von anner kennen kunnt.

Nu is een von de beiden Bröders dot bläven.

Un as de anner do weller in de schaul kümmt, dor secht de Professer to em: „Hör mal min Jung, büst du dat, de dot bläven is, oder is din Broder dat?!“.

Riemels

Kannst du Rimels moggen?

Nee – du?

Kloar – pass mol op:

“Ick sitt an`t Water un angel mit Boars.
Dat Water, dat geiht mi bet an de Knee.“

Wat is dat denn: Boars und bet an de Knee – Minsch, dat`s doch keen Rimel!

Oh Mannig, teuf lütt bäten, bet de Floot kümmt!

Max Dreyer (1862 – 1946): „Dichter der Ostsee“

Max Dreyer: „Nacht un Dag“

Gedanken zur Silvesternacht, mit Blick vom „Drachenhaus-Berg“ über den Greifswalder Bodden:

„Nacht un Dag“

Öwer mien Hoor straakt de Nacht,
öwer min Ogenbraan-
Alls is vegeben, alls wat ick dacht,
alls wat ick dahn.
Un ick warr stark, dat ick drag
Dagschien un Sünnenlicht –
Licht, dien unerbittliche Klag
un dien Gericht.

(Max Dreyer, Ehrenbürger des Ortes Göhren)

Das denkt Ihr: 2 Kommentare

  • 0eter sagt:

    Schön zusammengestellt es fehlt von Karl peplow de olsch up de Pappel viel Leiche könnt ihr das auch veröffentlichten?

  • Maria sagt:

    Haha, da hast Du recht… Muss ich mich wohl bald noch einmal dahinter klemmen 😉 Vielen Dank für den Hinweis!

Was denkt Ihr? Schreibt es uns! to Maria