Wildtiere und Naturphänomene während der Pandemie in Göhren auf der Insel Rügen
„Wir Inselbewohner trotzen Corona“, singt der Nachbarsbengel laut in den herrlichen Frühlingstag. Recht hat das Inselkind, rundherum Friede und Natur pur. Ein gelebtes Privileg auf Rügen, dass Kinder natürlich selbstverständlich nehmen. Die Erwachsenen sehen das Ganze schon differenzierter. Und dennoch – was haben wir es hier im Ostseebad Göhren gut.
Fast täglich sind aufmunternde Artikel in der Presse über Ausflugs- und Wanderziele zu mehr oder weniger interessanten Ecken in Mecklenburg-Vorpommern, Anregungen, seine nähere Umgebung sinnvoll zu erkunden. Und ganz sicher staunt so mancher über die Vielfalt der Insel, die unerkannt oder bisher unbeachtet vor seiner Haustür zu finden ist. Alles gut so.
Wir staunen auch
Wir staunen auch, täglich sogar. Wir haben die unbeschreibliche Inselschönheit und die Weite der Ostsee fast nur für uns, jeden Tag machen wir unsere Runden und haben – je nach Licht oder Sichtverhältnis, Freiluftkino feinster Machart.
So wie meine Nachbarin Marja Kossi, die mit ihrem besonderen Fotoblick unglaublich schöne Naturphänomene am Südstrand von Göhren, gleich bei Ihrer Lieblingsecke – der „Schwedenbrücke“, erleben durfte und für uns fotografieren konnte.
Ein besonderes Naturschauspiel der Regenwolken vor dem Sturm. Ja, da guckt viel Seele mit. So kann nur jemand schauen und fotografieren, der auf Wolke 13 zu Hause ist.
Sie kommen näher, die Tiere des Göhrener Waldes
Unsere Unterwegs-Erlebnisse, unser Staunen in diesem, von Pandemie beeinträchtigten Lebensrhythmus sind, abgesehen von der Inselschönheit, die Begegnungen mit den Tieren.
Was spüren sie? Was veranlasst sie, sich so zutraulich den Menschen zu nähern? Irgendwie singen die Vögel lauter, hopsen Meisen und Amseln dichter heran an den Menschen. Gestern schritt eine Krähe quer über die Wiese auf mich zu, blieb zwei Meter vor mir stehen und beäugte mich. Lange und nachdrücklich tat sie dies, mir wurde schon unbehaglich, was wollte sie?
Kürzlich höre ich meinen Mann rufen: „Komm mal schnell gucken, was auf unserer Terrasse für eine große Katze sitzt!“. Ein stattlicher Fuchs schaute interessiert ins Küchenfenster. Unsere Hauskatze war verschwunden, vermutlich zu Besuch beim Waschbär.
Zur späten Abendrunde bin ich kürzlich fast mit einem Reh zusammengestoßen. Es stand mitten auf der Straße und schien zu überlegen, wo sein Weg weiterführt. Als es mich sah, machte es natürlich flinke Hufe und zwar direkt auf mich zu. Ich ging in Deckung und dachte verblüfft: „Soweit ist es nun schon, jetzt wird man auf offener Straße vom Reh überrannt.“.
Die Rehe, denen wir unterwegs begegnen, nehmen kaum noch Notiz von uns. Sie stehen in wenigen Metern Entfernung und schauen, bevor sie sich flink ins Gebüsch schlagen. Ich bin versucht, sie zu grüßen. Man kennt sich inzwischen.
Wenn sich seltene Tiere auf Rügen zeigen
Schwarzspechte hört man öfter, als man sie zu sehen bekommt und im Paar noch seltener. Und dennoch konnten wir kürzlich beobachten, wie ein Schwarzspecht, dicht neben dem Weg durch das Göhrener Hövt, an einer Kiefer arbeitete. Es war wie im Film, ein seltenes Naturschauspiel, direkt vor unseren Augen. Die geniale Kopf- und Klopfarbeit dieses kleinen Tieres vor unseren Augen war faszinierend, ungestört hämmerte der Specht seine Melodie. Und dann rief er – ein seltener heller Ruf – und ihm wurde geantwortet, vom Schwarzspecht-Partner? Noch nie hatte ich so etwas erlebt: ein Schwarzspechtpaar direkt neben mir!
Dass rundherum (um unser Haus mit der Ferienwohnung „Zum alten Pfau“) viele Wildschweine ihr Quartier haben, ist kein Geheimnis. Jeden Morgen neu sind die Straßenränder, die Gehwege, Plätze um gegrubbert, aufgewühlt und man weiß, aha – hier waren sie, die Schweine! Aber, man sieht sie nie, jedenfalls nicht am helllichten Tag, denkste!
Begegnung der besonderen Art
Unser Weg über die Schafskoppel zum Strand und zur „Schwedenbrücke“ ist eher ein Kletterpfad, mit Vorsicht für einen Wanderer gut zu bewältigen. Ausgesprochen eng wird es aber, wenn dann zwei Wildschweine entgegenkommen.
Wir wollten runter, sie kamen hoch. Da standen wir vier. Typische Pattsituation.
Aber Wildschweine sind schlau, sie begriffen sehr schnell, dass diese Konfrontation ungünstig ausgehen könnte und suchten ihr Heil in der Flucht. Noch eine geraume Zeit sahen wir sie als Silhouette am äußersten Hochuferrand entlang flitzen. Ich hatte Sorge, dass sie abstürzen könnten, direkt runter zum Südstrand von Göhren.
Man ermahnt ja öfter die Strandwanderer, wegen der Abbruchgefahr am Hochufer doch mal hoch zu schauen, wenn dann aber Wildschweine von oben kommen, ist die Situation noch mal eine andere. Aber beide Schweine verschwanden im Gebüsch.
So konnten wir uns jetzt ungefähr vorstellen, in welchen Ecken die Rotte schläft, wo sie bleiben, wenn sie nicht zu sehen sind. Und wer weiß, wann wir ihnen wieder begegnen werden.
Ausnahmezustand in der Corona-Pandemie
Diese Pandemie setzt offensichtlich andere Akzente und andere Zeichen. Vielleicht spüren die Tiere den Ausnahmezustand, die Entschleunigung bis in den Wald hinein. Weniger Autos, weniger Menschen, weniger Lärm.
Im großen Maßstab registriert das Thema Klimawandel bereits gravierende Änderungen, der Rügener Inselalltag im Kleinen auch. Man sollte nur die Augen offenhalten. Und der singende Nachbarsbengel flöte ein wenig leiser.