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Schafsähnliche Begegnung auf Rügen

„Machst du dich selbst zum Schaf, so beißen dich die Hunde“ oder:
was man bei einer schafsähnlichen Begegnung lernen kann

Auf dem Weg zurück vom Morgenlauf, sehe ich plötzlich dicht am Weg, abgesperrt durch einen Elektrozaun, Schafe stehen, dicht aneinandergedrängt, wie eine Wand. Ich erahne es gleich – da stimmt etwas nicht.

Die Strandgänger latschen in Gruppen vorbei, sie schleppen schwer an ihrer Badeausrüstung, Schafe interessieren nicht.

Was ist hier geschehen?

Beim Näherkommen sehen wir: ein Schaf ist den Hang hinuntergerutscht, bis dicht an den Zaun, es liegt unbeweglich auf der Seite. Ist es tot? Nein, es atmet.

Aber, keine Bewegung, bis auf ein gelegentliches Zucken am Ohr…die anderen Schafkumpel stehen in unmittelbarer Nähe, dicht gedrängt, genauso bewegungslos. Hat es sich etwas gebrochen? Was ist passiert? Warum steht es nicht auf?

Schafsähnliche Kommunikation

Hier funktioniert es auch: einfach stehen bleiben und auf einen Punkt starren! In Nullkommanix habe ich eine kleine Traube Menschen um mich herum und registriere missmutig: Gaffer!

Aber nein, es sind zwei alternative Mütter mit ihren antiautoritären Kindern. Das ist genau das, was mir jetzt fehlt, denke ich, nicht ahnend, dass diese Konstellation Schaulustiger mir eine Geschichte bescheren wird.

„Ich glaube, das Schaf kriegt ein Baby“, sagt eine Mutti mit Blick auf den dicken, dahin gelagerten Schafsbauch.

Der offensichtlich ganz helle Bengel meint pfiffig: „Ist aber gar kein Schafsmann dabei!“.

Die Mutter ist sofort kommunikationsbereit, der Ton ist freundlich, bringt es aber straff auf den Punkt: „So ein Schafsmann heißt Bock, und so ein Bock ist nicht immer dabei, der wird halt nicht immer gebraucht.“.

Der andere Junge ist von weicherem Gemüt: „Aber das Baby braucht doch einen Papa – jedes Kind braucht einen Papa!“.

Mutter knapp und scharf: „Der Bock war nur mal zu Besuch und hat sich dann wieder dünne gemacht!“.

„Oha“, denke ich – jetzt geht’s ans Eingemachte.

Wir müssen helfen

Die Freundin der Mutter merkt den stimmungsvollen Umschwung offensichtlich auch und greift ein: „Sagen Sie mal, sind das Ihre Schafe? Die schauen unentwegt zu Ihnen – das eine Tier lässt Sie gar nicht aus den Augen, als wollte es sagen – nun tu doch endlich etwas.“.

Kurz – wir müssen helfen!

Nein, es sind natürlich nicht meine Schafe, aber, wir kennen genauso selbstverständlich den verantwortlichen Schäfer.

Mein Mann ist bereits unterwegs, zurück ans Telefon, um den Schäfermeister zu informieren – oder besser noch – zu alarmieren, wenn es nach meinem Gefühl der Dringlichkeit gehen würde.

Das Tier liegt immer noch wie angeklebt auf der Seite, es atmet flach, das registrieren wir alle, ich werde nervös.

Wir versuchen, den Maschenzaun soweit vom Elektrobereich weg zu bekommen, dass ich hindurch kriechen kann – ich will mit Wasser zu dem Tier.

Es merkt, dass sich hinter seinem Rücken etwas abspielt und wird unruhig. Wir lassen den Zaun. Das Schaf könnte in Panik geraten und wir hätten alles schlimmer gemacht.

Wieder etwas dazu gelernt (vom Schäfer)

Nun kommt der Schäfer und erklärt uns, was wir noch nicht wussten: Der große Pansen drückt auf die Atemorgane, ein Schaf, das zu lange auf der Seite liegt, bekommt zu wenig Sauerstoff, es könnte ersticken und kann sich aus dieser Lage nicht selbst befreien.

Wir sehen staunend, wie der Schäfer das Tier anpackt – eine Hand im Genick, eine Hand am Hinterteil – und zack – steht es! Wackelig, benommen, der Schäfer muss es noch kurze Zeit halten.

„So also richte ich beim nächsten Mal Schafe auf“, sage ich, „ganz einfach, nur den richtigen Griff muss man kennen“. „Und auch ein wenig Kraft haben“, schmunzelt der Schäfer, „das Schaf wiegt zwischen 35 und 40 kg!“.

Loriots Lebensweisheit

Jetzt kommt der Einsatz der Männlichkeit. Mein Mann sagt salbungsvoll: „Na, dafür hat sie ja dann mich, ich bin ja dabei – wir machen immer alles zusammen, wir sind immer gemeinsam!“.
Damit wollte der Spaßvogel auf die geniale Sketchszene von Loriot`s Familienfeier anspielen, aber der witzige Effekt wurde vom Moment der Ergriffenheit überholt und machte sich sofort bei den beiden (ledigen?) Müttern Luft mit einem Seufzer unisono: „Oh, wie war das schön gesagt…“.

So wurde der Gedankenaustausch über fehlende bzw. immer anwesende Böcke zwar folgerichtig, aber unzureichend zu Ende geführt. Und mein Mann, der Loriot-Kenner, konnte sich eine Bemerkung im Abgang nicht verkneifen: „Man muss doch etwas Eigenes haben, jeder Mensch sollte etwas Eigenes haben…“.

Was denkt Ihr? Schreibt es uns!