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Mittsommer mal anders

Blogger 25. Juni 2020Juni 30th, 2020Rügen-Blog

Der längste Abend des Jahres auf der Insel Rügen

Der längste Abend des Jahres, so viel war klar, musste gefeiert werden. Nun stand die Insel Rügen ja längere Zeit unter schwedischer „Herrschaft“, aber abgesehen von dem Gefühl, ein Bewohner der nördlichen Erdhalbkugel zu sein, ist davon nicht viel übrig geblieben. Untersuchungen zum schwedischen Einfluss auf die Rüganer wäre ein Extrakapitel.

Dennoch, das Leben in Nähe zum Wasser, die Liebe zum Licht und die Freude an gutem Hochprozentigen sind geblieben und zeigen mitunter freundliche Gemeinsamkeiten. Oder besser: Ähnlichkeiten, denn so, wie in Schweden die Mittsommernachtszeit gefeiert wird, nein, so schaffen wir Norddeutschen es nicht. Dazu sind die kulturellen Ansprüche doch zu verschieden.

Wasser, Göhrener Strand und Mittsommerlicht

Aber ja – man kann auch anders feiern. Feuer am Strand? Genuss und Freude?

Her mit dem schönen Leben! Gedacht, getan.

Ein alter Freund, der jahrelang in Marokko gelebt hat, brachte von seinen Reisen eine „Tajine“ mit.

Das ist ein rundes, aus Lehm gebranntes Schmorgefäß mit gewölbten, kegelförmigen Deckel zum Kochen auf offenem Feuer.

Er hatte so, sehr traditionell, die nordafrikanische Küche kennen und schätzen gelernt, und er meinte:

„Das können wir hier auch probieren, am Feuer, am Strand…“.

Kochen in der „Tajine“

Herrlich, wir waren sofort und sozusagen „Feuer und Flamme“.

Die einzelnen Zutaten waren schnell und unkompliziert besorgt:

ca. 300 g Fleisch (Rind, Lamm oder Geflügel), und dazu alles an Gemüse, was der Markt her gibt; also Kartoffeln, Zwiebeln, Paprika, Tomaten, Zucchini, Knoblauch, wer mag, Salz, Pfeffer usw.

Eine geeignete, sehr ruhige Stelle am Wasser ließ sich finden, alles ausgebreitet, Gemüse geschnippelt, Feuer an – und ab ging die Post!

Bereits nach 20 Minuten zischelte die Brühe unter der tönernen Kegelmütze, musste schon unter lautem „Aah“ und „Ooh“ probiert werden und zogen köstliche Aromen am Spülsaum der Küste entlang.

Es duftet am Strand von Göhren

Nicht nur das Aroma lockte beachtlich. Natürlich waren mehr Abendspaziergänger als gewöhnlich unterwegs – der längste Abend des Jahres forderte besondere Aufmerksamkeit und so war zu beobachten, wie gelegentlich diese oder jene kleine Menschengruppe sich unauffällig unserem Feuerchen näherte, um das ungewöhnliche Kochgebilde zu bestaunen.

Was habt ihr denn da?

Und jeder fragte: „Was habt ihr denn da?“. Und unser alter Freund, der Weitgereiste, erzählte und erklärte und freute sich über die allgemeine Anteilnahme an seiner „Tajine“.

Mancher blieb auch einfach stehen, um sich zeigen zu lassen, was da so lieblich duftend vor sich hin „köchelte“ (doch, genau das machte unser Gericht, es köchelte. Bislang hatte ich diesen Begriff beschmunzelt, hier wurde sie deutlich, diese einzig rechtmäßige Bezeichnung für Kochen mit der Tajine).

Und dann wurde das Kochwunder auch mal an gelüftet, und dann machten auch die Spaziergänger „Aah“ und „Ooh“… Und das völkerkundliche Interesse war deutlich stärker, als die Liebe zum Kochen.

Da kam ein Genießer vorbei

Aber dann kam ein Pärchen, wie wir es wohl alle schon mal gesehen haben: Er groß, stattlich und ordentlich rund um die Mitte; sie eine flinke, kleine Schmalgewachsene.

Auch sie blieben stehen, um diese fremdartige Kochangelegenheit zu bestaunen. Sie fragten ganz genau, woher, warum und wieso, sie machten Fotos und besonders die Schlanke zeigte ein nahezu ingenieurtechnisches Interesse an diesem Tontopf im offenen Feuer. Er schwieg.

Dann gingen beide weiter, sie flott voran. Seine Schritte hingegen wurden immer kürzer und langsamer.

Und plötzlich drehte er um, kam so flink er konnte zurück und flüsterte im Verschwörerton: „Und wann ist das durch?“.

Wir haben alle zusammen so laut gelacht, dass auch die schlanke Begleiterin wieder zurück kam, nein, es war noch nicht „durch“ – aber ein Schnäpschen auf den Weg, das konnten wir anbieten und den haben wir kichernd und vergnügt miteinander genossen.

Kurz – das Essen war ein Gedicht. Das Abendlicht am Wasser war die Sonate dazu, und unsere Mittsommerfeier ein ganz besonderes Erlebnis.

Beim Nachhause gehen, nun doch zur fast finsteren Nacht, wurde mir vor lauter Dankbarkeit für diesen „Mittsommer mal anders“ ganz wohlig warm dort, wo das Herz sitzt, und ich weiß, ein Jahr ist schnell vorbei.

Die Tajine ist jetzt nämlich die Meine.

Was denkt Ihr? Schreibt es uns!