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Endlich Luxus

Nun ist es so weit. Ich fühle mich außerstande, meine kleinen Episoden aus dem harmlosen Rügener Inselalltag aufs Papier zu bringen. Denn ich bin wütend, fassungslos und machtlos. Und dabei wollte ich nicht politisch werden.

Aber – wie schon E. Kästner sagte: „Es gibt keinen unpolitischen Menschen.“ – komme ich nun um dieses Thema nicht herum. Unsere Insel steht im Ausverkauf der Investoren.

Film-Doku „Wem gehört mein Dorf“ über Göhren

Der Dokumentar-Film „Wem gehört mein Dorf?“ von Christoph Eder erzählt über das Ostseebad Göhren und seine Geschichte vom kleinen, ruhigen, wunderschönen und landschaftlich einmalig reizvollen Badeort bis zur Entwicklung als Brennpunkt rücksichtsloser Investoren.

Hässliche und riesige Bauten entstehen in absolut unpassenden Landschaftszonen, verdichtete Siedlungen entstehen auf Naturareal, zerstören rücksichtslos die Insel und kein Ende in Sicht.

Hier kannst Du mehr über die Dokumentation „Wem gehört mein Dorf?“ erfahren: www.jip-film.de/wem-gehoert-mein-dorf

Wenn nur noch das Geld regiert

Nein, wirklich – ich wollte nicht mit schreien in diesem Chor der Empörten, ich dachte, Vernunft muss siegen. Ich hatte wirklich geglaubt, die Liebe zum Leben ist stärker. Aber – der kleine Mensch denkt, das große Geld lenkt.

Ende im Gelände – Kreidesee-Biotop-Hotel-Promoisel

Und nun lief das berühmte und bekannte Fass einfach über. Diese beiden Zeitungsmeldungen machten mir klar: „Jetzt reichts!“. Wer den kleinen Ort Promoisel bei Sagard einmal gefunden hat, wird ihn nicht mehr vergessen. Ein Zauber liegt über diesem Fleckchen Erde.

Der Wanderer, ob er nun über Sassnitz oder über Sargard kommend, dieses kleine Weilerdorf entdeckt, ahnt nicht, dass es bereits im Jahre 1250 in einer Urkunde als Eigentum des Klosters Bergen aufgeführt wird. Von alten Kreidebrüchen, ruhigen Buchenwäldern, weiten Wiesenflächen umgeben, ist der Ort beispielgebend für eine frühe Besiedlung im kuppigen Moränengebiet von Zentral-Jasmund. Und ich weiß von seltenen Vierbeinern und nahezu exotischem Vogelfedertier, die dort zu beobachten sind. Näheres sei zum Schutz dieser Tiere nicht genannt.

Und weil es dort so schön ist und weil dort noch so schön viel Raum ist zum Bebauen, mussten Investoren her. So betitelt in einem Artikel der Ostseezeitung vom 26.05.2021: „Sagard: Gemeinde für Hotel-Komplex in Promoisel“.

Hier soll das „Kreidesee-Biotop-Hotel-Promoisel“ entstehen, weil – so kann man es lesen – in diesem Projekt die Chance zur möglichen „Steigerung der Attraktivität dieses Teils der Insel“ liegt.

Von welcher Attraktivität ist hier eigentlich die Rede? Wie definieren Menschen, die mit der Schönheit einer Insellandschaft Geld verdienen wollen, dieses Wort?

Dem Geldanleger ist es offensichtlich egal, wo und wie er baut, er ist ja dann auch wieder weg. Uns und der Insel aber bleibt ein nicht wieder zu reparierender Schaden.

Die Einzelheiten in diesem Artikel erspare ich mir an dieser Stelle, es tut einfach nur weh. „Mega-Resort“ – dieses Wort sollte auf der Insel Rügen verboten werden.

Baltic Island Eco Resort am Bug bei Dranske

Zum gleichen Thema, in selbiger Tageszeitung am 26.05.2021, konnte der fassungslose Leser sich an dem Artikel zu: „Bug: Mega-Resort“ erfreuen.

Ich zitiere: „Die Investitionssumme ist gigantisch. 680 Millionen Euro sind vorgesehen, vier Hotels, Ferienwohnungen und insgesamt 2300 Betten, ein Hafen, ein Einkaufszentrum und vieles mehr.“.

Vieles mehr? Passt denn, angesichts der genannten Zahlen, noch vieles mehr dorthin an den Bug? Ist nicht irgendwann einfach die Landschaft zu klein für derartige Mega-Projekte?

Petition gegen Mega-Projekt auf Rügen

Das habe sich offensichtlich eine große Anzahl Rüganer gefragt und eine Petition gegen dieses Vorhaben gestartet. Nahezu einstimmig wurde bekundet: „Das beschriebene Vorhaben steht in Inhalt und Umfang den aktuellen klimapolitischen Zielen diametral gegenüber, ist für die Insel Rügen infrastrukturell nicht zuträglich und vernichtet natürliche Ressourcen unwiederbringlich. Es ist ersatzlos zu streichen.“.

Neubau Hotel Kurhaus Sellin

In Sellin – auf Slawisch „zeleny“ bedeutet „grün gehörig“ – bin ich groß geworden, dieser Badeort ist quasi mein Heimatdorf. Wir wohnten in der Hauptstraße, in der damaligen „Wilhelm-Pieck-Straße“.

Jedes der schönen alten Häuser war von Bäumen umgeben, lag eingebettet im Grünen, weil das vor langer, langer Zeit zum gesunden Wohnen dazu gehörte. Die Buchenwälder der Granitz sind in Sellin ja direkt vor der Haustür. Die alte Bäderarchitektur harmonierte mit der Umgebung in angemessenen Maßen.

Und heute?

Das ist sehr lange her und gründlich vorbei. Inzwischen wird jede freie Lücke nahtlos zugebaut. Es sind nicht nur die vielen Mauern und endlosen Fensterreihen, die dem Ort jetzt einen großstädtischen Charakter geben. Es sind vor allem die hohen, mächtigen, protzigen Gebäude, die prima an die Innen- oder Außenalster passen oder an den Kudamm, es sind die Häuser ohne Gefühl für Schönheit und Zweckmäßigkeit einer angemessenen Architektur.

Wer sich in der Wilhelmstrasse hoch zum Strand, zur Selliner Seebrücke bewegt, geht dem Horizont entgegen. Nach dem gesunden Menschenverstand verjüngt sich das Sichtfeld Richtung Horizont. Aber mitnichten im Ostseebad Sellin: dort hinten wird alles immer größer und höher. Was für ein Wahnsinn.

Aber und vieles mehr… vor allem viele Betten, viele Menschen, viel Trubel, und immer weniger Ruhe, Gemütlichkeit, Entspannung.

Mönchgut ist schön – schön bebaut

Das alles findet der Urlauber dann, wenn er Richtung Mönchgut nach Lobbe fährt. Dort ist mitten im Naturschutzgebiet, mitten im Dünenschutzbereich ein Beherbergungskomplex zur medizinischen Betreuung entstanden. Das Santé Royale Rügen Resort.

Kein Hotel, nein –überhaupt nicht. Nur, dass unser Wirtschaftsminister bei der Eröffnung dieses „einzigartige, schöne Hotel“ lobend hervorheben musste. Na sowas. Hat er wohl nicht aufgepasst.

Ursprünglichkeit einer Insellandschaft?

Klar – haben wir. Auch bei Lobbe, gleich um die Ecke. Da stehen in Reih und Glied die schicken, riedgedeckten nigelnagelneuen Bauernhäuser zur Miete. Da wohnt man ursprünglich, naturnah und dicht am Wasser. Und ordentlich abschließbar im Resort. Alles bestens.

Was denn – dort war mal Wiese und Viehhaltung und Fischerei? Ach was – weg damit. Was zählt, ist die Anzahl der Bettenkapazität.

Jetzt lasse ich mir die Haare wachsen, flechte mir einen Zopf, stecke eine Adlerfeder an den Scheitel und übe mich in Kriegsbemalung, denn bald sind wir die letzten Indianer, die da sagen: „…und wenn ihr den letzten Baum gerodet habt, werdet ihr merken, dass man Geld nicht essen kann.“. Howgh.