Opa an der Ampel
Vor langer, langer Zeit kursierte ein Witz, der auf Kosten sehr betagter Senioren, immer noch am Steuer, seine Runde machte. Die Fragwürdigkeit der überalterten Fahr(un)tüchtigen wurde in einer kleinen, humorvollen Episode in Szene gesetzt: Opa sitzt am Steuer seines Pkw und fährt den Enkel zum Fußballtraining.
Seine Aufmerksamkeit im Straßenverkehr ist deutlich mangelhaft, der Enkel wird unruhig. An der Kreuzung ist plötzlich ROT. Opa bremst im letzten Augenblick, steht und veratmet den Schock. Die Ampelfarben wechseln, Opas Auto steht, Opa atmet tief durch. Wieder ROT. Der Enkel rutscht auf seinem Sitz hin und her, jetzt GRÜN! Opas Auto steht. „Mensch Opa!“, ruft der Enkel: „Fahr endlich los, grüner wirds nicht!“.
Frühlingsgrüne Insel Rügen
Und unsere Insel Rügen steht auch, mitten im Frühling, mitten im satten Grün. Wälder, Wiesen, alle Gärten laufen fast über vor GRÜN. Es scheint wirklich so, als hätte der große Malermeister alle seine Farbreserven, alle Grünvarianten restlos über unsere Insel ausgekippt – alle Farbeimer geleert. Diese manifeste Selbstverständlichkeit des Frühlings ist fast beängstigend. Er verhandelt nicht, er ist da, mit grüner Macht.
Ich stehe bei uns im Inselwald, sehe diese pralle grüne Pracht, und denke: „Grüner wirds nicht!“. Selbst unsere Ostsee schließt sich der allgemeinen Begrünung an, sie ist nicht mehr blau bis zum Horizont, sie tendiert – vorwiegend in Ufernähe – zum Grün.
Nützliches Kräuter-Wissen aus der Familienchronik
Meine Mutter sammelte vom Frühjahr an für ihren Familien-Kräutertee. Das begann im März mit dem Breitwegerich, getrocknet hervorragend als Heilkraut im Erkältungstee und endete im Herbst mit Weißdorn und Schlehe.
Eine gelebte Weisheit meiner Mutter hing als Spruch in ihrer Kräuterecke:
„Reinige deinen Körper mit Gebet,
Fasten und langen Wanderungen im Wald.
Atme tief ein,
öffne dich den Geistern der Pflanzen,
die die großen Heiler der Seele sind.
Nimm von dir selbst Abstand
und gib dich vertrauensvoll dem
heilsamen Atem der Natur hin.“
(Indianische Weisheit, Jean-Paul Bourre)
Meine Mutter sammelte und trocknete die Kräuter und Wildpflanzen.
Mein Vater hingegen setzte auf praktische Sofortverwendung.
Seine entgiftende Frühjahrskur bestand aus folgender Tee-Melange:
Zwei Wochen nur Brennnessel-, zwei Wochen nur Birkenblätter- und zwei Wochen nur Löwenzahntee trinken.
Wem jetzt noch nicht gruselte, dem erzählte er die Geschichte von seiner Rheuma-Erkrankung, als er sich mit Brennnesselbüschel geißelte und sich nackt in Ameisenhaufen setzte.
Darüber kann man denken, was man will, mein Vater wurde über 90 Jahre alt. Ohne Rheuma.
Grüne Suppe für gute Gesundheit
Ein altes, sehr bewährtes Rezept beschreibt die „Grüne Neune“: Diese Suppe sorgte für starke Abwehrkräfte, regte den Stoffwechsel an und half dem Körper bei der Entgiftung.
Die Zutaten sind: Je eine Handvoll Gänseblümchen, Brennnessel, Spitzwegerich, Schafgarbe, Löwenzahn, Vogelmiere, Sauerampfer, Giersch und Bärlauch – mit etwas Dinkelmehl, Butter, Milch und Brühe ansetzen, auf köcheln, abschmecken mit Salz und Pfeffer.
Wer nicht „köcheln“ mag, nascht gleich vom Feld, vom Waldesrand, von der Wiese, denn im alten Volksglauben heißt es: „Die ersten drei Blüten sollte man essen, um sich das ganze Jahr vor Krankheiten zu schützen.“. Solch Kräuterbüchlein gibt es viele, der zweifache Nutzwert vieler Wildpflanzen als Würz- und Heilpflanze ist hinlänglich bekannt.
Mein Gartenrundgang
Dennoch möchte ich jetzt einmal einladen zu einem kleinen Rundgang durch unseren Garten, über Wiesen bis zum Waldesrand, denn – staunt nur, was hier einfach so vor sich hin wächst und doch so wichtig sein kann für ein gesundes Leben. Heilung in Grün – ab gehts!
Knoblauchsrauke
Die Knoblauchsrauke kennt ihr alle. Mit ihren feinen weißen Blütenköpfchen steht sie überall an Wegen, auf Wiesen, im Gras unter Bäumen. Wenn man die Pflanze zerreibt, ist der leichte Knoblauchduft erkennbar.
Sie wirkt antiseptisch, leicht harntreibend und schleimlösend. Man sagt ihr darüber hinaus auch antiasthmatische Eigenschaften nach. In der Volksmedizin wurden aus den Blättern Breiumschläge zur Behandlung von Insektenstichen und Wurmerkrankungen hergestellt. Die Knoblauchsrauke enthält viel Vitamin A, was wichtig für unseren Stoffwechselprozess ist. Außerdem Vitamin C, das unser Immunsystem stärkt.
Die ganze Pflanze ist essbar, sollte jedoch in rohem Zustand verwendet werden, da sie beim Erhitzen ihre Geschmacksstoffe verliert. Fein gehackt kann sie eingefroren und so unter Salate gemischt werden.
Salbei
Salbei – eine herrliche Pflanze, bekannt als Lutschbonbon gegen Halsbeschwerden kann sie mit ihrem bitter-zitronenscharfen Geschmack süchtig machen. In meinem Garten nicht wegzudenken. Über den Sommer getrocknet, ergibt sie den besten Tee (dann mit Honig) für rauhalsige Novemberabende.
Als Gewürzpflanze gerne bei fetten Fleischgerichten beigemengt, auch beim Anbraten für Pfannengerichte. Zusammen mit Thymian, Beifuß und Zwiebeln gibt Salbei eine herzhafte Würzmischung.
Salbei wird schon seit Jahrtausenden als Heilpflanze verwendet. Ein altes sizilianisches Sprichwort lautet: „Salbei erhält gesund.“.
Anderorts sagt man: „ Wer lange leben will, muss Salbei im Mai essen.“.
Dies alles ist zurück zuführen auf die entzündungshemmende Wirkung von Salbeizubereitung. Die ätherischen Öle und die Carnosolsäure, die beide bakterizide Eigenschaften haben, sowie die Gerbstoffe helfen bei Entzündungen im Magen-Darmbereich, Mundhöhle und Zähne, wirken krampflösend und gegen übermäßige Schweißabsonderung.
Minze
Minze im Garten ist ein Geschenk für superfrischen Teeaufguss, kann in jeden Salat, auf Süßspeisen und – natürlich – in den echten Mojito. Genau, spätestens jetzt weißt Du, welche Pflanze ich meine. Mit Minze kannst du viele Speisen und Getränke verfeinern, nicht nur in Getränken und Nachtischen, sondern beispielsweise auch in Marinaden zu Kaninchen-, Geflügel- oder Lamm-Fleisch, denn es ist wirklich eines der vielfältigsten Küchenkräuter.
Minze lindert Schmerzen, Krämpfe, Kopfschmerzen und erweitert die Atemwege, kann aber auch bei Gelenkschmerzen und Muskelverspannungen helfen. Das ätherische Öl der Minze wird beispielsweise in Erkältungsbalsamen verwendet oder auch in kleinen Roll-Ons gegen Kopfschmerzen.
Die Pfefferminze wirkt vor allem krampflösend und gallenflussfördernd. Außerdem wurden antimikrobielle, antivirale und harntreibende (diuretische) Wirkungen für die Heilpflanze beschrieben.
Diese Heilkräfte werden hauptsächlich dem ätherischen Öl in den Blättern zugeschrieben.
Es gibt zahlreiche unterschiedliche Minze-Sorten, die für weitere Abwechslung sorgen.
Neben den bekannten Sorten wie Pfefferminze, Marokkanische- und Bergminze lohnt es sich auch, ein paar besondere Minze-Varianten auszuprobieren, wie Schweizerische Minze, die sehr fruchtig, stark minzig im Geschmack ist.
Außerdem sind die duftenden Blüten eine hochgeschätzte Landebahn von Bienen, Hummeln und Schwebfliegen.
Giersch
Der Giersch wird als „Unkraut“ von allen Gärtnern gehasst.
Warum?
Weil der Doldenblütler wirklich überall ist, sich über alle Pflanzen hinweg setzt und als unausrottbar gilt. Da hilft nur eins: aufessen!
Dem Giersch wird eine erstaunliche Vielzahl guter, heilender Kräfte nachgesagt: Er wirkt antibakteriell, antimykotisch, entsäuernd, entzündungshemmend, harntreibend und kräftigend.
Weiter hat Giersch eine lindernde Wirkung bei Gicht, Rheuma, Hexenschuss und Ischias-Schmerzen. Dabei hilft ein Bad mit Giersch-Absud, einfach dem Badewasser zugegeben.
Für die Küche:
Sein nussiger Geschmack eignet sich hervorragend für Salate.
Hier zum Vergleich:
Gierschsalat hat einen Vitamin C-Gehalt von 201 mg/100g im Gegensatz zu Kulturgemüse, wie grüne Bohnen= 20, Spargel = 21 Spinat = 52 je mg/100g.
Ein schnelles, gesundes Gericht ist Giersch-Suppe:
Aus Zwiebel, Fett und Mehl eine Schwitze herstellen, mit Milch auffüllen, gewürfelte Kartoffeln dazu geben, mit Salz und Pfeffer abschmecken, kurz vor Garzeitende der Kartoffeln den klein geschnittenen Giersch dazu geben und noch 5 Min. köcheln lassen.
Majoran
Majoran macht im Steingarten ein dichtes Pflanzenkissen und ausliefert als Würzpflanze einen sehr intensiven Geruch und Geschmack. Deshalb sparsam verwenden. Die Pflanze wirkt sehr schnell dominant, ist aber eine perfekte geschmackliche Abrundung bei Braten, Soßen, verfeinert Suppen aus Kartoffeln und Hülsenfrüchte.
Aufgrund seiner antibakteriellen, beruhigenden, krampflösenden und schleimlösenden Wirkung bringt er auch bei krampfartigem Husten und Keuchhusten, bei entzündeten Schleimhäuten und bei Bronchitis-Linderung.
Durch die Bildung von Magensäften hilft er gegen Blähungen und gegen Verstopfung und kurbelt den Fettabbau an.
Aus Majoranblüten, -blättern und -öl werden seit langer Zeit auch Medikamente gegen Erkältungen hergestellt. Tee aus den Blättern oder Blüten wirkt bei Schnupfen und Erkältungen, bei trockenem und reizendem Husten, geschwollener Nase und Rachen sowie bei Ohrenschmerzen.
Mit Salbe als Trägersubstanz kann eine Majoran-Paste gegen Schnupfen hergestellt werden, die allerdings nur für Erwachsenen zum Einsatz kommen sollte.
Schnittlauch
Wilder Schnittlauch ist essbar und nicht giftig. In der Küche wird das Kraut als Würzbeigabe für Salate, Pestos, Brotaufstriche oder Omelette verwendet – ganz ähnlich wie der Schnittlauch aus dem Supermarkt. Der Geschmack ist aber viel intensiver.
Die Inhaltsstoffe sind auch ähnlich, nur dass der Wilde etwas mehr von allem hat, eine wahre winterliche Gesundheitsfundgrube. Er enthält die Vitamine A, B6, C, E, K und außerdem Kalium, Kalzium, Natrium, Phosphor und Eisen.
Man findet Schnittlauch an Wiesenrändern unter Baumschatten. Die Pflanze wächst in dichten Büscheln wie Gras, ist aber nicht zu verwechseln durch seine hohlen, zylinderförmigen Stängel.
Brennnessel
Die Brennnessel, falsch angefasst, macht sie ihrem Namen alle Ehre. Und dabei ist genau das, was uns dabei beißt und brennt so gesund. Über die sogenannten Brennhaare wird eine Flüssigkeit abgegeben, die u.a. aus Histamin, Ameisensäure und Serotonin besteht, uns schmerzt, aber für bestimmte Stoffwechselbereiche eine erstaunliche Heilwirkung hat.
Die Brennnessel wächst an Wegrändern, auf Schuttplätzen, einfach überall, wo Menschen siedeln, bevorzugt an feuchten Standorten. Die jungen Blätter, von März bis Juni gesammelt, werden als Gemüse, Gemüsebeigabe oder als Tee verarbeitet. Die Heilpflanzen spülen Giftstoffe aus dem Körper und sollen das Blut reinigen. Sie enthalten Chlorophyll, Vitamin A, C und D und sind reich an Eisen, Kalzium und Mangan.
Frauenmantel
Frauenmantel hält, was diese Pflanze verspricht, denn sie ist seit dem Mittelalter als krampflösendes und schmerzstillendes Mittel gegen typische Frauenleiden (Menstruations- oder Wechseljahresbeschwerden) und wegen seiner verdauungsfördernden Wirkung auch gegen Magen-Darm-Beschwerden eine wirkungsvolle Heilpflanze.
Frauenmantel kann auch äußerlich zur Behandlung von Wunden eingesetzt werden, denn die Pflanze hat eine adstringierende Wirkung. Für einen Frauenmantel-Tee sollten die Blätter geerntet werden, bevor die Pflanze zu blühen beginnt.
Frauenmantel hat eine lange Blühzeit und sieht wunderschön gebunden in Sträußen aus.
Rosmarin
Rosmarin, der wunderbare Duftstrauch ist für alle Gestecke, die mit Liebe und Zuneigung gebunden werden ein altes, bewährtes, immergrünes Kraut. In vielen Volksliedern und Gedichten kommt der Rosmarin als Pflanze der Liebe und Treue vor.
Das mediterrane Kraut enthält, wie viele andere Heilkräuter, zahlreiche Inhaltsstoffe, die positive Effekte auf den Körper haben können. Als bekanntes Hausmittel wirkt etwa das ätherische Öl des Rosmarins anregend und kann bei Konzentrationsschwierigkeiten und Müdigkeit helfen.
Für Rosmarin konnte außerdem gezeigt werden, dass es eine antiseptische Wirkung haben kann. Diese Eigenschaft kann im Falle bakterieller Infektionen dazu beitragen, Keime besser abzuwehren. Zusätzlich gibt es Daten, die zeigen, dass Rosmarin entzündungshemmend und krampflösend auf den Unterleib wirkt. Bei Muskel- und Gelenkschmerzen kann das Einreiben mit Rosmarinöl eine wohltuende Wirkung haben.
Rosmarin durchblutet die feinen Kapillaren im Gehirn und bringt dadurch mehr Sauerstoff ins Gehirn. Früher trugen Studenten daher vor Prüfungen einen Rosmarinzweig hinterm Ohr. Wer ganz sichergehen wollte, machte sich einen Rosmarinkranz.
Dieser, sicher hilfreiche, Brauch ist verschwunden. Schade. Vermutlich brauchen die Studenten keinen Rosmarin mehr, steht ja alles im Handy.
Gänseblümchen
Das Gänseblümchen gehört frisch in jeden entschlackenden, blutreinigenden Frühjahrssalat – und zwar Blätter und Blüten gleichermaßen. Das Pflänzchen blüht von Januar bis Dezember.
Es lohnt sich, einen Vorrat an Blüten zu trocknen.
Die Wirkstoffe Inulin, Saponin, Gerb- und Bitterstoffe sowie ätherisches Öl sind verdauungsanregend, harn- und schweißtreibend.
Bei juckenden oder entzündlichen Hautleiden kann ein Gänseblümchenbrei auf die betreffende Hautstelle aufgetragen werden.
Und natürlich ist ein Tee oder Aufguss zur allgemein reinigenden Wirkung immer sehr zu empfehlen.
Gänseblümchen also nicht nur als Kränzchen ins Haar stecken, sondern einfach auch mal in den Mund. Ihre wertvollen Bitterstoffe kurbeln den Stoffwechsel an und sind eine absolute Bereicherung für den Frühlingsalat.
Dies war ein kleiner Spaziergang durchs Grüne mit dem Blick auf Gesundes am Wegesrand. Traut euch, sammelt, erntet, trocknet. Alles ist ein Geschenk der Natur und wird euch helfen, dankbar das Schöne mit dem Nützlichen zu verbinden.