
Ungeliebter Januar in Deutschland
Im Großen und Ganzen halte ich mich für einen aufgeschlossenen Menschen, der dem Grundsatz folgt: In Allem, was dir passiert, ist ein Stück des Guten verborgen.
Wenn sich Zwei streiten, verstehe ich durchaus beide Seiten gleichermaßen. Und mit meinem unverwüstlichen Optimismus suche und finde ich meist das glückliche Ende der beiden Wurstzipfel. Mein Glas ist immer halbvoll. Wenn alle Welt im November im Herbstblues versinkt oder bleigraue Depressionen schiebt, blühe ich auf, wandere durch die endlich endlose Spülsaumeinsamkeit an den Stränden, bewundere den seidig-sanften Nebelwald und freue mich jeden Morgen, dass man beim Aufwachen dem Weihnachtsfest näherkommt.

Und nun der Januar. Ich weiß, es ist überhaupt nicht fair, laut auszusprechen, was ich im Januar fühle: Ich kann diesen Monat nicht leiden.
Was hat er schon, außer der Last eines ungewissen Neubeginns? Und der Last der Vorsätze, der Regeln „alles anders zu machen“? Wo hat er seine positiven Seiten versteckt? In der schmerzlichen Erinnerung, dass die wunderbare Weihnachtszeit schon wieder vorbei ist? In den nasskalten Matschtagen? Allenfalls im Trost, dass die Tage wieder länger werden – Sonne, liebe Sonne…

Guckt sie euch an, die im Sternbild „Steinbock“ Geborene: Ernste, nüchterne Typen, sachliche, strenge Einzelgänger mit der Lebensaufgabe der Problembewältigung, mit übersteigertem Ehrgeiz und Hang zur Perfektion. Nett ist anders. Jupp, die kann es nur im Januar geben.
Reise nach Istrien – Ferne Träume in Kroatien
Und dennoch – ich bleibe dabei – es gibt in Allem etwas Gutes: Der Januar ist der Monat der Reiseplanung, der Wünsche hinweg über den Tellerrand. Der Monat der Gedanken an fremde Ferne, interessante Ziele, Sonne und ab mit dem Finger auf der Landkarte. Ihr seid schon dabei?
Dann folgt mir auf unserer Reise nach Istrien in Kroatien, vielleicht werdet ihr neugierig und könnt Unbekanntes für euch entdecken. Reisezeit ab sofort bis Mai, dann ist hier Sommerpause. Wir entschieden uns für entspannte drei Wochen im September.

Gut geplant ist halb gewonnen
Die Planung beginnt mit der unvermeidlichen Exceltabelle. Meine Spöttelei über akribisch eingerichtete Excel-Tabellen wird in Gänze null-und nichtig gemacht durch den tiefsinnigen, praktischen und unschlagbar wichtigen Sinn dieser Art Auflistung. Denn, sie ist das absolute Grundgerüst jeder unserer Reisen.
Ohne dreht sich kein (Auto-)Rad. Da werden Routen in Kilometer, Stopps als Übernachtungsstellen, notwendiges Tanken, ebenso Telefonnummern, Adressen und sogar die Wettervoraussagen notiert. Das Vertrauen meines Mannes in mich als Beifahrer scheint in den letzten Jahrzehnten gewachsen zu sein, denn früher bekam ich die Routenabschnitte fett ausgedruckt in Einzeletappen in den Schoß gelegt, inzwischen darf ich die Seiten vom Autoatlas alleine umblättern.
Habe ja – man erinnere sich – die Exceltabellen. Ich weiß also lange vor Reiseantritt, wann wir wo sein werden, wo ich Hotelübernachtungen zu organisieren habe, welche Streckenabschnitte zu absolvieren sind.

Die Route nach Istrien im Überblick
Unsere Route nach Istrien, rund 1700 km (je Hin- und Rücktour), wurde in erträgliche Abschnitte aufgeteilt und wie folgt geplant: Früher Vormittag ist der Start in Göhren, dann Verlassen der Insel über die Rügen-Brücke und Reise über die vielen Autobahnen A20, A19, A24, A10 und A9 nach Süden. Rostock, Potsdam, Berlin und Leipzig werden rechts und links liegengelassen.
Stopp mit Übernachtung in Bad Klosterlausnitz, Hotel „In Piazza“ als erstes Drittel der Gesamtreise nach Kroatien. Hier lohnt sich ein Rundgang, diese Stadt war mal reich und hat schöne Ecken. Die Kirche lud ein zu einem Abendkonzert, fein, wir fühlten uns beschenkt. Am nächsten Tag wird an Bayreuth, Bamberg, Nürnberg, Regensburg, Ingolstadt und München auf den Autobahnen A9, A99 und A8 in gebührender Entfernung vorbeigerauscht und erst in Ruhpolding Halt gemacht. Übernachtung im Hotel „Fischerwirt“, Balkon mit Ausblick auf schnee-begipfelte Berge, genüssliche Ruhe und Rotwein für den umsichtigen Autofahrer.

Die Alpen werden gequert auf der Autobahn A8, A10 und Salzburg, Bischofshofen in Österreich links umfahren. Die Grenzübergänge nach Österreich, Slowenien und Kroatien haben wir kaum wahrgenommen und die letzten Kilometer nach Motovun in Istrien auf kurvenreicher Strecke, aber mit ausgezeichneten Straßenbedingungen absolviert.
Die Rückreise wurde gleichermaßen gedrittelt: Unterkunft im limehome Hotel in Rosenheim und im artgestalteten Givuni Mopera – einem Hotel in Leipzig. Die gesamte Reise verlief ohne Stau, ohne verkehrsbedingte, größere Hindernisse und mit den erwähnten Hotelübernachtungen immer in bester Wohnlage und zu sehr empfehlenswerten Buchungsbedingungen, Gottseidank.


Warum Istrien, warum Motovun?
Istrien, diese besondere Halbinsel, die wie ein Landschaftsdreieck in die Adria ragt, hatte mich schon jahrelang beschäftigt und interessiert: Auf drei Seiten vom Wasser umgeben, angrenzend an Italien und Slowenien und doch Kroatien – das konnte nur einen Urlaub wert sein.
Ach, was hatte ich die Reiseportale gequält und nach dem gesucht, was diesen Wert ausmachen könnte: Keine Touristen-Zentren, keine empfohlenen Besuchermagnete, kein Ressourchic, null Luxus, dafür aber jede Menge Ursprünglichkeit, Natur, Land, Leute und ihre Geschichte, gelebte, authentische Geschichte. Und so fand ich „Motovun“.


Und dachte, ich habe eine Entdeckung gemacht. Ein Bergdorf mit altem Kastell, mit Stadtmauer, mit denkmalgeschützten Wohnanlagen und Häusern aus jahrhundertalten Steinen… Wunderbar, da musste ich hin.
Aber, genau dies dachten mit mir ca. 300 Busreisende. Täglich! Auch, wie wir, im September. Was, so haben wir uns gefragt, mag hier los sein in der Hauptsaison?
Dazu später mehr. Zuerst ankommen. Die Anfahrt nach Istrien war wunderschön, bereits von Weiten war unser Bergdorf zu erkennen – hoch über allen Gipfeln besetzte das Kastell die Bergspitze und ließ keinen Zweifel zu: Es würde stetig straff bergauf gehen. Die Unterkunft in Motovun hatte ich über Airbnb gebucht.


Digitaler Austausch mit Vermietern
Per WhatsApp-Nachricht bekamen wir alle notwenigen Hinweise zum Finden, zum Beziehen der Wohnung und zum Parken für den Pkw. Letzteres war überaus wichtig, hatte ich doch gehofft, man könne, zum Ein- und Ausparken mit dem Auto in die Innenstadt gelangen. Immerhin war der Wagen voll beladen. Ich hatte, was die Verpflegung betraf, gut vorgesorgt und an alles gedacht.

Der mühevolle Gang durch die Stadtgeschichte von Motovun
An alles, nur nicht an die Tatsache, dass wir vom Parkplatz hinter der Kirche noch gute 500 Meter über uraltes Kopfsteinpflaster immer bergan unser Reisegepäck – das reichhaltig gut sortierte – schleppen mussten.
Nix von wegen „Ein- und Ausladen in der Innenstadt“. Die Altstadt von Motovun war durch Poller und Schranken gnadenlos für alle Touristenautos verriegelt. Wie existenziell weise und notwendig diese Maßnahme war, wurde mir erst später klar.


Vorerst hatten wir zu schleppen, schwitzend und fluchend.
An dieser Stelle sei allen Ferienwohnungsgästen dringend geraten: Nach Motovun in Istrien bitte nur mit leichtem Handgepäck und Rucksack, nur das Nötigste am Mann und auf absolut wandertüchtigen Sohlen.


Weiter sämtliche Einkäufe, alles, was sonst noch benötigt wird, portionsweise dazu kaufen und immer nur so viel, wie in ein Handbeutelchen passt. Denn, es gibt keine Fußwege, nur das historische Pflaster und das braucht wirklich die gesamte Aufmerksamkeit eines Fußgängers.


Erst später, nach dem mehrmaligen Auf- und Absteigen lernten wir, diese halsbrecherischen Stolperstraßen als Gang in und durch die Geschichte der kleinen Bergstadt Motovun anzunehmen. Und mit der erworbenen Sicherheit der Schritte hob sich der Blick für die wunderschöne Aussicht, für die einzigartige Bauanlage dieser Stadt, die kunstvollen Tore, Treppen, die historischen Details an Mauern und Gesimsen. So war jedes „Nachhausekommen“ neu, wurde immer wieder interessant durch Entdeckungen, die Motovun in Instrien so besonders machen.

Schöner wohnen
Hoch oben und mitten in der über 500-Jahre alten Innenstadt fanden wir unser Haus, drei Etagen nur für uns beide. Alles perfekt eingerichtet, ausgerüstet selbst mit Trockner und Waschmaschine. In der obersten Etage das Wohnzimmer, wunderbar geräumig und mit einem Rundumblick über das gesamte Land, der uns den Atem nahm.


So hatten wir wieder „Hochsteigen“ ohne Ende, in diesem Falle aber immer wieder belohnt durch den Blick in morgendliche Nebelfelder im Tal, durch Sonnenaufgänge und Sonnenuntergänge, den Sternenhimmel, auf Fernstraßenbänder, auf Weinberge und Trüffelwälder. Jawohl, Trüffel!

Motovun ist berühmte Trüffel-Stadt
Die gesamte Region um Motovun ist weltbekannt für ihre Trüffelgebiete. Berühmt für Suchen, Finden, Verarbeiten, Vermarkten der kostbaren Pilz-Delikatessen. In jedem Lädchen gibt es eine Unmenge Trüffelprodukte (Öl, Käse und auch die Chips haben wir probiert), die gehörige Preise haben und in jedem Haus wohnt ein „Trüffeljäger“ mit ihren speziell ausgebildeten Hunden.
Das sollte man wissen, als Tourist in Motovun, denn es vergeht kein Tag, an dem die Nachtdämmerung nicht durch unzähliges Hundegebell begrüßt wird. Anfangs beängstigend für mich als Tierschützer („Was ist denn hier los?“), nach einem Gespräch mit einem Einheimischen und seinen drei Trüffel-Hunden, aber die Lösung des Hundekonzertes.
Im Trüffelwald von Motovun
Natürlich mussten auch wir mal eine Privatexkursion in angrenzende Trüffelwälder wagen. Schmale, ausgetretene Pfade führen tief in des Waldes Dschungel. Modrige Bäume liegen quer, nasse, matschige Wege, unheimliche Stille und irgendwie hatte ich das Gefühl, ich bewege mich gerade in Nachbars Garten. Tatsächlich hören wir Äste knacken, zwei Hunde laufen geräuschlos auf uns zu, wir stehen stramm, es folgt ein Trüffler.
In diesem Falle eine Trüfflerin, mit Umhängetasche und Grabeholz, die uns sofort als Gaffer identifiziert. Nein, wir waren keine Konkurrenz für dieses sehr einbringliche und durchorganisierte Geschäft, was offensichtlich mehr Menschen in dieser Region ernährte, als wir ahnten, aber später an den Preisen der Trüffelprodukte erkennen konnten. Wege waren jedenfalls nicht ausgeschildert, von Ferne hörten wir Jagdgewehrknall, rundherum Wildnis, schnell wieder zurück.


Eine bemerkenswerte Entdeckung aber machten wir überall in den Wäldern rund um Motovun: Auf dem feuchten Boden waren seltsame Gebilde, gedrehte Erdklümpchen, mal mit Loch in der Mitte, mal noch mit den Rückständen irgendeiner Pflanze gefüllt, verteilt, völlig geruchslos und tatsächlich bestehend aus dem Erdreich vom Waldboden.
Anfangs glaubten wir, Exkremente von Tieren entdeckt zu haben, aber, sie waren überall zwischen den Pflanzen, in Mengen, für uns unerklärlich. Später, im Ort und im Gespräch mit Einheimischen nachgefragt, erfuhren wir, dass dies (Regen)-Würmer sind, die bis zu 30 cm lang werden und sich im lehmigen Erdreich zu Hause fühlen. Was wir hier sahen, sind die Rückstände ihrer bodenständigen Tätigkeit.

Erkundungen in Motovun
Wir haben die Stadt entweder am frühen Vormittag oder zum späteren Abend durchstreift – da waren die Busse entweder noch nicht da oder schon wieder fort und die massenhaften Touristen bereits wieder eingesammelt. Sie überströmen täglich die kleine Bergstadt, bevölkern alle Cafés und Kneipen, kaufen sich dumm und dämlich an Trüffelkram und sind spätestens um 18 Uhr alle wieder weg.


Nach 20 Uhr ist sogar der Rundgang um die historische Kastellanlage schrankenfrei, kostenlos, dicht atmosphärisch und sehr zu empfehlen, denn auch dort, an der alten Stadtmauer, finden sich wunderhübsche, kleine Weinlokale.


Mein Lieblingsladen gehörte einem zahnlosen Alten, der die besten Tomaten und Äpfel hatte, ganz feine Hausweine und in seinem Privatgarten ein Pavilloneckchen zum Verweilen mit Blick übers Land. Da waren wir immer alleine, dorthin verirrten sich keine Busreisende, und an den weiten Blick – naja – an den hatten wir uns dann auch schon gewöhnt. So, wie der Alte an uns, der bereits meine Lieblingsäpfel einpackte, wenn er mich kommen sah.

Künstlerdorf Groznjan
Da wir mit Motovun eine Bleibe mitten im Herzen von Istrien gefunden hatten, konnten wir sternenförmig unsere Erkundungstouren planen. Immer gut zu bewältigende Tagesreisen von ca. 30 – 60 km, immer gute Straßen, immer sehr interessante Ziele und Entdeckungen auf dem Wege und immer gutes Wetter, es war unglaublich.


Nach Groznjan musste ich ganz bald, dorthin zog es mich regelrecht und ich wurde nicht enttäuscht: Dieses mittelalterliche Städtchen hat das Flair eines Bohemientreffs. Wissenschaftler und Künstler stoppten den jahrhundertelangen Verfall und richteten sich mit ihren Galerien, Ateliers und Werkstätten behutsam im historischen Gemäuer ein.


Ich bin total verzaubert durch diese gepflasterten Gassen gewandert und fühlte mich stellenweise direkt in die Stadtgeschichte zurückversetzt und in eine absolut authentische Filmkulisse. Sehr zu empfehlen sind die vielen Kunstwerkstätten: Malerei, Handwerk und wunderschöner Schmuck sind an jeder Ecke eine ernstzunehmende Versuchung…
Hum – die kleinste Stadt der Welt
Nicht zu glauben? Doch um einen gewaltigen Kirchenbau gruppieren sich die Häuser der ca. 30 Einwohner dieser Ansiedlung, die ausschließlich vom Tourismus und ihrer besonderen Geschichte leben. Kunsthandwerker, Cafés und ein Speiserestaurant mit Trüffelspezialitäten sorgen für Unterhaltung beim Rundgang mit weitem Ausblick über das Land.
Die Grundkonturen erhielt Hum bereits im 11. Jahrhundert, als die Festung gebaut wurde und dieser Ort zur Verteidigungsanlage wurde. Im 16. Jahrhundert verfügte Hum bereits über alle behördlichen und öffentlichen Einrichtungen mit eigenen Gespannen, die Grundlage für souveränes städtisches Leben bedeuteten und so erhielt es das Epitheton „Kleinste Stadt der Welt“.

Klein, aber klug – was wir so noch nie gehört hatten: Der Bürgermeister (oder Dorfvorsteher) wurde jedes Jahr neu gewählt und zwar ausschließlich nach seinen guten Taten, die als Holzkerbe dokumentarisch festgehalten wurde, gewählt worden.
Wer die meisten Kerben hatte, gewann die Wahl zum Gemeindevorsteher. Und wenn er im nächsten Jahr wieder die meisten Kerben, sprich gute Taten vorweisen konnte, ja, dann wurde er eben wieder Bürgermeister. Ich stelle mir diese Methode in der heutigen Zeit, unter gegebenen Umständen vor und weiß: Holz hätten wir ja noch…

Abseits der Touristenzentren von Slowenien
Wer Touristenmassen in Bilderbuchstädten satt hat, dem sei eine Fahrt hoch in den Norden Istriens und über die Grenze ins südliche Slowenien sehr empfohlen: Die Küstenorte Piran, Izola und Koper überzeugen durch wunderschöne Ensembles der venezianischen Gotik, alten Fischer- und Bürgerhäusern.

Immer lohnt ein Aufstieg zu den Kirchen oder eine Kaffepause an den schönsten Marktplätzen, Renaissancebauten, Zinnen und Rundbogenfenster im Rücken, Hafenanlagen und die Meeresweite im Blick.
Vor allem aber besticht diese Region durch eine gewisse Geruhsamkeit, die sich wohltuend unterscheidet von der Nervosität quirliger Hafenstädte Istriens und deren touristischen Bedeutung.

Rovinj – Kroatiens traumhafte Halbinsel
Rovinj ist ein mittelalterlich-venezianisches Städtchen wie aus dem Bilderbuch. Schon die Lage auf einer hügligen Halbinsel macht Rovinj zu etwas Besonderen. Der Blick am Hafen zur Stadt hinüber verzaubert – über den hohen, ineinander verschachtelten Häusern und ein Geflecht winkliger Gassen krönt der barocke Kirchenbau mit dem über 60 Meter hohen Campanile. Ein absoluter Anziehungspunkt.
Leider wissen das alle Touristen. Und keiner lässt sie aus, diese Vorzeigestadt. Tief Luftholen, Ohren anlegen und durch. Mehr kann ich dazu nicht sagen, probiert es selber aus.


Erholung in den Weinbergen Istriens
Die Gegend rund um Motovun ist wunderschön, bereits beim Abstieg finden sich Wanderwege durch Wiesen, an Feldern entlang, durch wildes hochgewachsenes Buschwerk hindurch und an den unzähligen Weinbergen vorbei. Zuckersüße helle und rote Trauben ließen sich widerspruchslos ernten, wir haben auch nicht lange gefragt, zugegeben. Die kleinen Hütten (Gartenlauben) waren verwaist, von fern Hundegebell, sonst friedliche Stille.


Der pioniergeprägte Ingenieursgeist meines Mannes entdeckte einen alten Tunnel, den PARENZANA, der uns 222 Meter durch den Berg führte, in absoluter Finsternis, begleitet durch Bewegungsmelder in sehr sparsamen Abständen und mit der Frage, ob ich hier je wieder ans Tageslicht kommen würde.
Doch, bevor meine Panik wirklich Gestalt annehmen konnte, wurde es hell und ich konnte meine Klammerhand lösen. Hinterher und in Betrachtung dieser Tunnelbegehung wurde mir auch klar, wieso dies die Bezeichnung „Gesundheits- und Freundschaftsweg“ trägt – ohne Herzkasper und friedlich eng beieinander hindurch, das macht hat doch Sinn…


Westküste Istriens – Rabac
Ja, das sah richtig gut aus auf der Landkarte und auf den Postkarten: Eine tiefeingeschnittene Bucht mit altem Ortskern des einstigen Fischerortes Rabac. Da wir uns vorgenommen hatten, sämtlichen Angeboten der Touristenzentren aus dem Wege zu gehen, schien uns dies ein echter Beitrag zur Erkundung Istriens zu sein.
Wir hatten nicht gründlich zu Ende gelesen im Reiseführer, denn „oberhalb des Hafens schmiegen sich Hotels und Freizeitanlagen wie Bienenwaben an den Berghang“ hätte uns aufhorchen lassen müssen. Den Bienen jedenfalls hat man in dieser Beschreibung ganz schlimm Unrecht getan, die ehemals wunderschöne Bucht war zu Gänze und mit aller Konsequenz bis an den letzten verfügbaren Zipfel zugebaut.

Der betonierte Strand von Rabac
Am liebsten wären wir sofort wieder abgehauen. Aber da mein Mann, der vermutlich auch einen Pkw-Parkplatz in der Moskauer Metro finden würde, auch hier einen Platz fürs Auto fand und wir Kaffeedurst hatten, die Sonne heiß auf Sommer machte, eine angekündigte kilometerlange Strandpromenade unsere Neugier weckte, sind wir dann doch tapfer losgezogen.
Ferienresort an Freizeitpark, Bungalow an Hotelanlage, Swimmingpool an Bowlingbahn, Cafe an Restaurant, jede Lokalität mit lauter, immer anderer Musikbeschallung und zwischendurch ein Blick auf Uferbeton. Dort lagerten die Sonnenanbeter, das war der „Strand“. Donnerwetter, lange nicht so etwas Schreckliches gesehen.

Reiner Fatalismus und der Kaffeedurst trieben uns weiter, endlose Pflasterwege mit Blick aufs Meer. Und dann, halt, stopp, kneif mich mal, ganz am Ende dieses Parcours, entdecke ich drei große Buchstaben auf einen Stein am Wegesrand hingemalt: FKK, unglaublich, aber wahr.
Felsen, Treppchen hinunter ans hellblaue Wasser, kleine Buchten, kugelrunde, weiße Steine, Geröllstrand, egal, tatsächlich FKK. Und so sah uns dieser Nachmittag beseelt und splitterfasernackt in der Kvarner Bucht planschen. Im himmelblauen, badewannenwarmen Wasser. Die Wellen kullerten melodisch mit den weißen Steinchen und ich war glücklich. Rabac, wer hätte das von dir gedacht.

Wieder in unserem „Schwalbennest“ hoch oben auf der Bergspitze von Motovun gab uns der Himmel über Istrien den Rest und goss sein Abendrot über den gesamten verfügbaren Horizont, dazu ein Glas vom regionalen Rotwein und den Geschmack der Trüffel – ein Abschied voller Genuss und Versöhnung.
Abschied und Ankommen
Als wir im frühen Morgen mit unseren Reisetaschen wieder das historische Kopfsteinpflaster beehrten, hatte ich gleich noch, nebenbei, eine lustige Erkenntnis: Bin in all den Urlaubstagen sehr früh immer von Kinderstimmchen geweckt worden, die dann, ganz urplötzlich, wieder fort waren, absolut verschluckt von den alten Steinwänden des Hauses gegenüber. Dort nämlich war der Kindergarten für Motovun und Umgebung. Quietschfideles Kinderleben im steinalten Gemäuer.
Mach nur so weiter, Motovun.


Wieder zu Hause auf unserer Insel Rügen – Koffer abladen und sofort an den Strand. „Hallo Ostsee, du Allerbeste, du wildes Hochufer, einsame Bucht, nichts ist so schön, wie das Wiederankommen.“. Da stehe ich nun in den Farben von Insel und Ostsee und denke: „Was denn, ich mag den Januar nicht? Gerade jetzt in dieser Einsamkeit bin ich doch hier am allerliebsten!“.