
Göhren hat nicht den besten Ruf
Unser Ostseebad Göhren (auf der schönen Insel Rügen) hat zwar den Luxus zweier Strände und reckt mit der Nordperdnase sein Gesicht gar unverwechselbar einmalig schön in die umgebende Ostsee, aber es hat nicht den besten Ruf, leider. Seine kommunalpolitische Vergangenheit, geprägt durch die unglückliche Verquickung mit Immobilienmachenschaften ist hinlänglich bekannt. Auch publik geworden durch den Dokumentarfilm: „Wem gehört mein Dorf“ (Ausverkauf der Insel Rügen). Eine traurige Schönheit? Mitnichten.
Vom paradiesischen Dasein im Ostseebad Göhren
Während rundherum die Welt von einer Katastrophe in die andere schlittert, sämtliche Nachrichten gruselige Berichte verbreiten und Zustände, wie „im-alten-Rom“, wo bereits Kriminalität und Korruption an der Tagesordnung waren, hebelt unser Ostseebad Göhren alle niedrigen Ängste und Sorgen aus und in nahezu paradiesische Zustände.
Hier geschehen noch „Zeichen und Wunder“. Ja, ich bemühe die Bibel, genauer gesagt, das Alte Testament, was vermutlich eine Anmaßung ist, aber, im übertragenen Sinne, die Angelegenheit auf kleinem Raum trifft.
Gängige Redewendung
Was ich damit meine: Ursprünglich bezeichnet das Wortpaar „Zeichen und Wunder“ gewaltige Ereignisse aus biblischer Zeit, mit denen Gott in den Ablauf der Natur und der Geschichte eingriff und sich auf diese Weise seinem Volk Israel offenbarte. Für unseren Alltag hingegen ist diese gängige Redensart „Es geschehen noch Zeichen und Wunder“ Ausdruck für kleine, unerwartete Überraschungen, für Momente, die uns verblüffen. Wir meinen, sie dürften eigentlich gar nicht sein, es sei denn, man glaubt. Aber, da wäre ich ja bereits wieder bei der Bibel.
Deshalb zurück in unser Ostseebad Göhren, zurück zu einem Spaziergang am Nordstrand. Denn genau dort begegneten mir „Zeichen und Wunder“.

Kindliches Vertrauen – oder das Glück des Ahnungslosen
Ich habe zwei Kuschelecken für meine FKK-Sommersonnenstunden, je eine am Süd- und eine am Nordstrand. Beide nutze ich entsprechend nach Sonnenstand, Windrichtung, beide sind mein kleines Paradies.
Als sich der vergangene Sommer im höchsten Wohlbehagen befand und ich eines frühen Morgens meine Kuschelecke inmitten vom Hochufer abgerutschter Bäume bezog, traute ich meinen Augen nicht: Simsalabim – eine stattliche, querliegende Buche glitzerte längst ihres Stammes voller Geschmeide, Schmuckkettchen säuberlich angepinnt am laufenden Band.
Ich stand, wie vom Donner gerührt und habe mich erst mal vorsichtig umgeschaut – Versteckte Kamera? Videoaufnahmen für TikTok? Nichts dergleichen! Ich war im morgendlichen Sonnenlicht am Strand ganz alleine, ich und diese unverhoffte Schmuckkollektion.

Kreative Mitbringsel
Tatsächlich, da hatte ein talentierter Schmuckgestalter aus Muscheln, Halbedelsteinen, wunderschönen abgewaschenen Glasstückchen, mit Lederband und Silberösen kleine Kettchen gebastelt, in Reihe an dem querliegenden Baumstamm angebracht, ein Infoblättchen daneben und dazu eine kleine Metallkassette.
Für 5 Euro konnte sich die potenzielle Kundschaft das Schmuckstück ihrer Wahl aussuchen, die Kassette füttern und glücklich von dannen ziehen. Einfach so.
Ich stand und staunte, deutlich verblüfft. Und mit der Frage, wie sich dieses Verhältnis zwischen freizügigen Angebot und freiwilligen Wertausgleich im Laufe des Sommers gestalten würde.
Was macht wohl unsere Welt mit gratis Nehmen und ehrlich Geben? Mein Vertrauen in derart paradiesische Zustände hielt sich in Grenzen…
Der Herbst kam und ich vergaß den kleinen Freiluft-Schmuckladen am Strandufer, vielleicht wollte ich das Elend, was nach einer Sommersaison davon übriggeblieben sei, auch gar nicht so genau sehen.

Ein Beispiel von fast vergessenem Vertrauen
Vor einigen Wochen aber war ich wieder auf Kletterrunde über Steine und über abgestürzte Bäume am Göhrener Nordstrand unterwegs und landete tatsächlich an der Stelle, wo damals, diese Kettchen, dieses freizügige Angebot an Freude und Ehrlichkeit, mich außerordentlich verblüfft hatte. Und – man glaubt es nicht!
Da war er wieder, der kleine Schmuckladen am Strand, handgearbeitete Souvenirs, hübsche Mitbringsel von der Ostsee, eine lange Reihe nebst Geldkassette.
Unversehrt, alles da. Nichts geklaut, nichts verwüstet, das komplette Angebotspaket von Freudegeben, Ehrlichnehmen, absolut beeindruckend.
Als mein 5 Eurostück in die Geldkassette klappert, ist zu hören, dass es nicht alleine ist und genau dies habe ich beim Weitergehen als Herzenswunsch über die Ostsee geschickt: Menschen, traut euch, geht in Vorleistung, wenn ihr Gutes zurückbekommen wollt, ihr bekommt es verwandelt zurück. Denn, es gibt sie noch, die Momente, die an das Paradies erinnern. Es geschehen noch „Zeichen und Wunder“, die glücklich machen.