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Wünsche fürs neue Jahr und meine Lektion zum Jahreswechsel

Wenn du über einen Menschen urteilen willst, beurteile sein Herz oder: Der erste Eindruck ist entscheidend

Ja, was denn nun? Den ersten Eindruck bei einer Begegnung abspeichern und sich dann um das Herz kümmern? Wohl dem, dem es gelänge.

Meist reagieren wir intuitiv auf Äußerlichkeiten oder per Bauchgefühl auf etwas Unbeschreibliches, was dem Gegenüber kennzeichnet. Und sehr, sehr schnell werden Menschen auf diese Weise gekennzeichnet, abgestempelt, in eine Schublade geschoben.

Und was heißt hier „urteilen“? Wer, wenn er es nicht beruflich machen muss, darf über Menschen urteilen? Und wie oft, wie schnell passiert es uns dennoch.

Ich weiß, wovon ich rede. Ich habe in den vielen Jahren als ausführender Behandler am Menschen gelernt, sehr genau Körpersprache zu definieren.

Die Körperhaltung, der Gang, der Blick, die Sprache und Gestik setzen Zeichen für Befindlichkeiten, körperliche und seelische Zustände, geben Hinweise auf Symptomatik und – wenn man ganz forsch ist – die Richtung in Sachen Charakter an.

Über die Symbolik des Wünschens

Das ist für alle, die intensiv mit Menschen umgehen oder in ihrer Tätigkeit mit Menschen zu tun hatten, nichts Neues.

Das Problem liegt in der Wahrhaftigkeit dieser ersten Eindrücke, dieser äußerlichen Signale, die uns eine Begegnung sendet und in der totalitären Einschätzung über einen Menschen, den wir glauben erkennen zu können.

Meine Lektion zu diesem Thema bekam ich noch vor dem Jahreswechsel, rechtzeitig genug, um mir für das neue Jahr eine Aufgabe basteln zu können. Für alle, die an diesem Thema interessiert sind, gebe ich gerne Folgendes weiter: Du bist die Aufgabe. Kein Schüler weit und breit.

„Guten Rutsch“ oder „Prost Neujahr“ – Wünsche zu Silvester

Zu Silvester wird man allerorts von guten Wünschen begleitet und gibt Gleiches gerne wieder, im Vorbeigehen, im Supermarkt, ruft es sich quer über die Straße: „Guten Rutsch“ – „Gutes Neues“ – „Prost Neujahr“. Man winkt sich zu und hat mit zwei Worten alles getan, was sich zu Silvester gehört.

Mir wurden, um ehrlich zu sein, diese Wünscheformeln lästig. Die meisten Leute kannte ich gar nicht, die an mir mit diesen zwei Worten, in dieser oder jener Variante, vorbei huschten. „Eine Geste, was solls“, dachte ich und gab sie zurück als Winkezeichen. Im Laufe des Tages war ich froh, wenn mal einer einfach den Mund hielt.

Denn heimlich machte sich eine Verstimmung breit, die sich auf diese Glückwunsch-Formeln richtete und ich dachte. „Können die nicht mal anders wünschen? Ja, fällt ihnen denn nichts anderes ein? Wäre es der Anlass nicht wert, einen richtigen Satz zu formulieren? Was soll der Unfug?“.

Die Kassiererin im Supermarkt

Und leicht vergnatzt musste ich dann doch noch mal fix in den Supermarkt. Vor mir an der Kasse, natürlich, eine Menschenschlange. Ich hatte Zeit zum Beobachten, was im Supermarkt immer ein besonderes Erlebnis ist. (Deshalb stehe ich gerne an Kassen an, ehrlich.)

Die Kassiererin sah schrecklich aus. Den Eindruck, der ihr verwüstetes Gesicht machte, versuchte sie durch Höflichkeit zu mildern. „Herrje“, dachte ich, „was ist der denn widerfahren, die sollte dringend den Beruf oder den Ehemann wechseln.“. Vermutete aber, dass es für Veränderung bei diesem Typ Frau nicht reichen würde.

Als Beispiel zitiere ich aus: „Der Unfug des Sterbens“ von Prentice Mulford, München 1921: „Ist der herrschende Ausdruck auf einem Gesicht die Grimasse – dann grimassieren auch die Gedanken hinter der Stirn. Sind die Winkel eines Mundes nach abwärts gezogen, so sind auch die Gedanken, die diesen Mund formen und beherrschen, trübe und abhängig. Ein Gesicht ist das untrüglichste Merkmal der Geistigkeit, daher kommt nichts an Wert dem ersten Eindruck gleich.“.

Und mit leichter Häme kam mir in den Sinn: „Jeder bekommt, was er verdient“. Nein, ich war nicht fein beim Betrachten dieser Kassiererin.

Und dann war ich an der Reihe, ich zahlte, verpackte meine Einkäufe und da plötzlich schaute die Fachkraft an der Kasse auf, mir direkt ins Gesicht. Und sprach mit ruhiger, angenehmer Stimme den erlösenden Satz: „Ich wünsche Ihnen einen guten und angenehmen Jahreswechsel.“.

Ich habe nicht registriert, ob ich vor Beschämung blass oder knallrot geworden bin. Denn so ist das mit dem Vorurteil. So lehrt das Leben. Lektion kapiert, Vorsatz für 2023 ist angekommen, gebe ich hier gerne weiter.