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Plattdeutsches Gebet zu Weihnachten

Blogger 10. Dezember 2022Dezember 11th, 2022Göhren, Inselgeschichte(n), Plattdeutsch, Rügen-Blog

Trotz alledem – denn auch im Jahre 2023 machen wir weiter! Und so verbleiben mit allen guten Wünschen an unsere amüsiert-interessierte Leserschaft.

Herzlichst,
Maria und Felix

Holl du mi fast
Herr Gott, du weest, ik heff di söcht,
so lang ik denken kann.
Man blots ik fünn mi nich torecht,
un keem nich an di ran.

Mien swackes Hart, dat kloppt un sleit
jüst as bi anner lüür.
Dat söcht sein Glück un Seligkeit
tomierst up disse Ier.

Den rechten Weg bün ik nich gahn,
he wier mi woll to small.
Nu mütt ik in`n Düstern stahn,
un Nacht is överall.

Mitunner kümmt mi dat so vör,
as wierst du dichting bi.
Mi is, as kloppst du an mien Döör
un sechst ganz lies to mi:

„Ik weet, oll Jung, du sühst dat in:
dien Söken wier man leeg.
Ik häf di söcht, bet ik di fünn
un die to faten kreeg.“

Ja, so is`t west! Nu holl mi fast,
ik kann alleen nich gahn.
Ik bün en armen, ollen Knast,
kumm du bi mi to stahn.

(Bernhard Trittelvitz, 1878 – 1969)

Plattdütsch Gebett to Wiehnacht

Herr Gott, laat gnädig öwergahn,
wat uns bedraugt, un laat bistahn
uns Huus, uns Dörp, dit ganze Land.
Holl öwer uns din truge Hand.

Wenn`t äwers anners kamen süll,
dann maak uns stark, dann maak uns still,
dat all dat Leed, dat up uns kümmt,
uns nich dat Gottvertrugen nimmt.

Du büst uns Herr, Du büst uns Gott,
all Minschenwaark is vör di Spott,
all Stolt gellt nicks vör dinen Thron,
was künnen Minschen uns woll dohn?

Aus: „Min leev Rügen“ von Bernhard Trittelvitz

 

Aber, wie grundsätzlich unterschied es sich vom Weihnachtsfest, wie wir es heute kennen?

Genaugenommen gibt es überhaupt keine Vergleiche mehr. Oder?

Auch damals gab es Weihnachten auf Mönchgut

Heute Der wichtigste Tag zu Weihnachten ist der Heiligabend, der 24. Dezember – da gibt es Geschenke ohne Ende, Schokolade in solchen Mengen, dass man aufhört zu denken und manchmal auch Zoff.
Damals Der 24. Dezember wurde „Rumprekkerabend“ genannt. Da kam ein verkleidetes, mit Ruß und Asche beschmiertes Scheusal, der „Rumprekker“ vorbei und verteilte Schläge. Im günstigsten Falle gab es Pfeffernüsse (kleine Pfefferkuchen) für die Kinder. Null Zoff, eigentlich nur Angst.
Heute Weihnachtsbäume in allen Größen und Arten und als absolutes Kunstprodukt der Feierindustrie, je bunter, je besser. Und jedes Jahr schöner.
Damals Überhaupt kein Weihnachtsbaum zum 24. Dezember, der wurde erst am nächsten Morgen – zum 1. Weihnachtsfeiertag – aufgestellt und sehr sparsam mit Kerzen geschmückt. Als Schmuck gab es Ketten aus getrockneten Äpfeln oder Pflaumen, dazu Nüsse und – wer es sich leisten konnte – kleine Kuchen als Baumbehang.
Heute Geschenke, Geschenke, Geschenke. Umflossen von einem Meer bunter Verpackungsware. (Nein, an dieser Stelle nicht schon wieder Loriot)
Damals Kleine handgearbeitete, nützliche Dinge wurden in Stroh, später in Papier gewickelt und mit den Worten: „Hu Julklapp“ in die Stube geworfen. Spielzeug war selten dabei.
Heute Weihnachten, das Fest der Freude, ist im Wesentlichen das Fest der Gaumenfreude. Abgesehen vom obligatorischen Kartoffelsalat mit Würstchen werden Enten-, Gänse- und Putenbraten kredenzt, dazu Klöße und Rotkohl. Nicht ohne Vorsuppe, versteht sich, und auf keinen Fall darf der Nachtisch fehlen. Alles wird mit bestem Rotwein bespült und mit gutem Cognac besiegelt.
Damals Schweinebraten mit Reis und Backpflaumen.

Weihnachtsfest vor 150 Jahren auf Mönchgut

Das war ein Weihnachtsfest vor 150 Jahren auf Mönchgut. Nicht direkt aufregend. Wesentlich interessanter wurde jetzt die Zeit vom 24. Dezember bis zum 6. Januar, die Zeit der Jahreswende, die 12 Nächte, auch „Zwölften“ genannt, in denen Abschied und Beginn so dicht beieinander lagen. Der Höhepunkt der „Zwölften“ war der „Olljahrsawend“ (Silvester), an dem sich nicht nur das eigene Schicksal voraussagen ließ, sondern jeder versuchte auch so gut er konnte, seine Zukunft günstig zu beeinflussen.

Die Volkskunde berichtet über eine Vielzahl an Bräuchen, die ausschließlich in dieser Zeit zur Anwendung kamen und abergläubische Deutung hatten. Geblieben ist bis heute das „Bleigießen“, eine Prozedur für Weissager.

Praktiker versuchten, in den klimatischen Bedingungen jeder einzelnen Nacht eine Wettervorhersage für die kommenden zwölf Monate des neuen Jahres zu prognostizieren. Und überall war oft mehr, als nur „ein Körnchen“ Lebenswahrheit dabei…

Das Wichtigste aber war in dieser für den Menschen so gefahrvollen Zeit, dass „kein Rad nicht rundgehen durfte“, das heißt, die Arbeit auf dem Felde und am Spinnrad musste ruhen.

Möglicherweise war diese deutungsvolle Zeit nicht nur der Furcht vor Unvorhersehbarem geschuldet, sondern in ihrer Behutsamkeit auch eine Ruhephase der Natur, für Mensch und Tier. Und eine Zeit zum Aufatmen für die Mönchguter Hausfrau im sonst üblichen 14-Stundentag.

So gesehen möchte man sich wünschen, es wäre doch wieder wie damals.

Was denkt Ihr? Schreibt es uns!